Ork Nr. 39: I aa a U

SZ Nr. 13, 17. /18. 1. 15, S. 9, 72; Nr. !9, 24. / 25. 1. 15, S. 12, 77; Nr. 43, 21. /22. 2. 15, S.38; Nr. 125, 3. /4. 6. 15, S. 10; Nr. 133, 13./ 14. 6. 15, S. 80; Nr. 146, 29. 6. 15, S. 27, 30; Nr. 152, 6. 7. 15, S. 6; Nr. 163, 18./ 19. 7. 15, S. 9; Nr. 169, 25./ 26. 7. 15, S. 53; Nr. 192, 22./ 23. 8. 15, S. 18 ork39_1

Die vier Vokale der Überschrift können einen durchaus sinnvollen Satz ergeben. Dann nämlich, wenn man im Schankraum der Brauerei Mahr in Bamberg sitzt und hört, wie einer a U ‚ein Ungespundetes‘ bestellt, und ein anderer sich der Einfachheit halber gleich anschließt, mit den bewussten vier Lauten. Der Franke als solcher, besonders wenn es gilt, mit wenig Aufwand an ein gutes Bier zu kommen, ist halt erfinderisch.
Der Mittelfranke freilich, nicht weniger maulfaul als sein die Gestade von Main und Regnitz bewohnender Bruderstamm, hält es zwecks Redeersparnis eher mit einem gewissen Konsonanten: Fll Ll ’n Zwlwl (rustikale Variante) bedeutet für ihn ‚Viel Öl und Zwiebeln‘.
Letztere Artikulationsweise ist mittlerweile von den US- Gesundheitsbehörden als behandlungsbedürftig anerkannt und mit dem Namen Endemic Linguodental Disorder Syndrome, kurz ELDS, belegt worden. Leider ist der potentielle Absatzmarkt für ein lebenslang einzunehmendes Gegenmittel (Apicoretractivum) für die forschenden Pharmakonzerne etwas zu begrenzt, um hier einzusteigen, und so bleibt es auch für die Franken vorläufig beim Konsumangebot von Ritalin und demnächst, für die Damen, von Flibanserin. Schee bleed. Einstweilen können Sie, liebe Leser, sich ein faszinierendes Hörerlebnis verschaffen, wenn Sie mittels einer kleinen Alkoholspende einen angeheiterten Gostenhofer Rentner zur Rezitation des Sprüchleins „A Dellerler Bläddsler un a Gläsler Walbollidschella“ verleiten.
Da staunt der Bayer und der Preuße wundert sich, wie die Süddeutsche so treffend bemerkt.

Auch die ewig unter Zeitdruck fronenden SZ – Mitarbeiter, die zudem oft schneller formulieren als sie schreiben können, hudeln gerne mal über einzelne Buchstaben, Silben, ja ganze Wörter hinweg. Der flüchtige Leser wird schon drüber weglesen oder, falls er es doch bemerkt, soll er es selber richten. Das ist ja auch das Grundgesetz aller sogenannten Rechtschreibreformen dieses Jahrhunderts, unter das man sich bei der SZ allezeit willig beugt.
Aber noch leben Avatare von Lynkeus und Argus, den beiden luchsäugigen Kämpfern der Alten, und wenn einer von ihnen und ein echter Luchs sich draußen in der Wildnis begegnen, zwinkern sie einander mit dem linken Auge zu. Es soll ja auch zeitweilige Allianzen zwischen Fußballtrainern und Werwölfen geben. Dabei kann so ein Avatar sogar Brillenträger sein, zum Beispiel wenn er seine stechenden Pupillen auf eine von Deutschlands führenden Tageszeitungen fokussiert.
Wegen der Fülle der Beispiele soll hier nur jeder Beleg knapp und kommentarlos zitiert werden:
„Hier kann er nicht nur jenen Beistand leisten, die ihn am meisten ersehen.“
„Auf dem deutschen Mark wacht das Kraftfahrt-Bundesamt über Rückrufaktionen.“
„Das gesellschaftliche Bewusstsein ist gestiegen, den Kindern wird früher gelaubt“
„nicht nur ein „Meister in der Kunst des Charakerisierens“ (Lothar Müller in der SZ)“
Wolfsburg toute chancenlos durch die Königsklasse.“
„Wir brauchen genügen Soldaten, das richtige Training und die richtige Ausrüstung“
„Niemand geht hier freiwillig entlang, zudröhnt vom endlosen Strom der Autos.“
„“Die Leute haben uns die Quadrate tütenweise gebracht“, sagte laut Medienberichten.“
„Er gewann am in Ratingen“
„Der Anwalt von Erhan A. argumentierte damals, es nicht „schlüssig“, warum Erhan A. abgeschoben wurde“.
„Die weiße Bootshülle blendet, die Viking Cruise liegt schon lange da, und wird auch noch eine angetäut bleiben, bis sie wieder flott ist.“
„Ökolabels, Biomessen und Ressourcen schonende Technologien sind längsten vogue.“
Und die letzte Belegstelle nimmt sich der Jäger und Sammler selbst zu Herzen:
„Herr lehre doch mich, dass ein Ende mit mir haben muss“ im Deutschen Requiem vor Johannes Brahms“.

Erschöpf, abe fröhich rüßend
Orks-Otto

Ork Nr. 38: Politische Geografie

SZ Nr. 192, 22. /23. 8. 15, S. 69; Nr. 204, 5. /6. 9. 15, S. 7

scheissnavi_orkUnser Mann in Havanna

„Schreibt der Würzburger Oberbürgermeister Christian Schuchardt, ein CDU – Mann, in einem offenen Brief.“

Was wird der Geist von FJS, ausgerechnet zu dessen einhundertstem Geburtstag, zu diesem mainfränkischen Brückenkopf der ebenso hassgeliebten wie beargwöhnten Schwesterpartei sagen? Er wird wohl toben und als altphilologisch gebildeter Jupiter Tonans rhetorische Blitze auf seine kampfscheuen Nachfolger schleudern. Näheres erfahren wir vielleicht im nächsten Schleich – Fernsehen beim Auftritt des Übervaters.

Im Westen nichts Neues?

„Voller Bewunderung blicken die Franzosen nach Westen: Dass die Deutschen dieses Jahr prognostizierte 800.000 Flüchtlinge begrüßen – das beeindruckt die Franzosen.“

Wie das? Erleben jetzt die Franzosen die deutsche Aufnahmebereitschaft als derart hallucinante, dass sie ihre teutonischen Nachbarn gleich einer Fata Morgana draußen auf dem Atlantik wähnen? Erkennen nicht schon manche Gallierinnen und Gallier in den Strahlen der Sonne das Lächeln Angela Merkels und im Vollmond die grimmigen Züge Wolfgang Schäubles? Aber vielleicht hat sich Christian Wernicke nur wieder mal auf sein Scheiß Navi verlassen, statt in seinen alten Schulatlas zu gucken.
So kann der SZ-Leser, auch wenn ihn manchmal leise Zweifel beschleichen mögen, aus erster Hand mitverfolgen, wie die politische Landkarte Bayerns und Europas mit kraftvollen Strichen neu gezeichnet wird. Da kann Guido Knopp mit seiner ollen ZDF-History doch glatt einpacken, findet

Orks-Otto

Ork Nr. 37: Zwei Lieder für Dieter

Ork_37SZ Nr. 204, 5./6.9.15, S. 23

Dieter Hallervorden erweist sich nicht nur auf seine alten Tage als Vollblutschauspieler, sondern war in jüngeren Jahren auch ein großer Kabarettist und eignet sich somit auch für den Hobbysatiriker zum Anhimmeln. Einer von denen widmet ihm zu seinem 80. Geburtstag jetzt zwei Lieder ohne Noten, aber es gibt ja auch Lieder ohne Worte.

Das erste Lied stammt gar nicht aus der Hand des Verehrers, sondern findet sich eingeklemmt zwischen drei Todesanzeigen und besteht aus den dazwischen passenden kurzen Versen. Es ist, wiewohl in schwungvollen Lettern gedruckt, ein eher gedankenschwerer, der Trauerarbeit förderlicher Text über Zeit und Leid und Ewigkeit, und die in ihrer Schlichtheit ergreifendsten Stellen, wahre purple patches, wollen wir uns nun aufrichtigen Sinnes zu Gemüte führen:

„Von Freud und Leid
Erfüllt war die Zeit,
Das Leid war viel mehr,
Das Glück nicht so sehr.

Von weit kamst du her
Aus göttlichem Sein
Dorthin kehrst Du heim
Wenn die Zeit auch verflücht
mit dem strahlenden Licht.

Das alles umfacht,
den Tag und die Nacht,
Das Glück und das Leid
in Ewigkeit.“

Der Dichter, in diesem Fall eine späte Schülerin der „schlesischen Nachtigall“ Friederike Kempner, ist schon immer ein Sprachschöpfer gewesen, wie uns die beiden einprägsamen Wortgestalten „verflücht“ und „umfacht“ vor Augen führen. Wie andachtsvoll blicken wir Lesende doch hernieder auf solch ergreifende Zeilen, die uns die Süddeutsche aus ihrem poetischen Hausschatz darreicht; und still im Aug‘ erglänzt die Träne.

Wer sich nach dem Genusse des ersten Liedes zu hoch in den pinkvioletten Abendhimmel glockenreiner Abschiedspoesie entrückt fühlt, kann sich durch das zweite, gleich einem Ballonfahrer, wieder auf den Boden banaler Alltäglichkeit zurückholen lassen. Es ist so kurz wie kindisch und hangelt sich mühsam von einem Reim zum nächsten. Und doch möchte auch es sich als des zu Ehrenden würdig erweisen. Es erzählt nämlich von einer echten menschlichen Gefühlsregung: dem Überdruss an der gewohnten Umgebung und dem daraus erblühenden Fernweh.

Kleine Fluchten

Der Graf von Andechs und Meranien
Goss vor dem Fenster die Geranien,
Briet sich ein paar Esskastanien,
Schrieb an Wilhelm an Oranien:
Wenn ick Dir anruf, musste ranjehn!
Daaf ick ma‘ in Dein Haus in Spanien?
Hier ha‘ ick jenuch von all dem tranijen
Räucheraal aus Pomeranien:
Lo que quiero es Flamenco!

Und schon trägt die azurblaue Wolke der Sehnsucht unseren Grafen in ein rappelvolles, verqualmtes Kellerlokal, die Luft schwirrend von Gitarren-und Kastagnettenklängen, zu Füßen der rassigsten und schwarzhaarigsten Tänzerin ganz Andalusiens, und mit ihm entschwebt der momentan völlig abgespacete

Orks-Otto

P.S. Kommste ooch mit, Dieta?

Ork Nr. 36: Flotter Dreher

Quelle: Der Haubentaucher - Vogel des Jahres 2001 - by Timmann, Hermann in: De Latücht, (page(s) 6 - 6), Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg

Quelle: Der Haubentaucher – Vogel des Jahres 2001 –
by Timmann, Hermann
in: De Latücht, (page(s) 6 – 6), Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg

SZ Nr. 13, 17./ 18.1.15, S. 79; Nr. 25, 31.1./ 1.2.15, S. 78; Nr. 146, 29.6.15, S. 26

Jedesmal, wenn die Uni – Mensa in Würzburg „Rostbratwurst“ auf dem Speiseplan stehen hatte, verdrechselte mein Kollege das Wort zu „Rotzbartwurz“. Sogleich verging mir der Appetit auf die Wurst und ich griff gottergeben zum Teller mit dem Serbischen Reisfleisch.

Auch einige SZ – Werktätige versuchen sich gelegentlich in der Kunst der Metathese, aber sie stehen dabei erkennbar noch am Anfang. Leidlich gelungen ist die Schreibweise „Martkoberdorf“, unterhält doch die Firma AL-KO Alois Kober GmbH eine Vertretung in Marktoberdorf/ Allgäu: Wes‘ Brot ich ess, des‘ Lied ich sing.
„Mulitmedia“ und „Gesichert“ für Gesichter wirken dagegen wie tastende Versuche. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.

Der große Bruder, der wahre Genius des Buchstabendrehens ist der Schüttelreim, wie ihn zum Beispiel der brave Soldat Schwejk alias Heinz Rühmann den drei k.k. Militär – Irrenärzten darbietet:

„Im Ballsaal schweben die Beine,
im Schlachthaus beben die Schweine.“

Ob sich die Kleinmeister von der Isar jemals in solche Höhen der Poesie aufschwingen werden? Der Weg dorthin wird lang und mühsam sein, auch für die Leser, befürchtet

Orks – Otto

Die Macht der Sterne

Ein taubenblauer Taubenhaucher
Frug unlängst einen Haubentaucher:
Tauchst du mit der Haube? Sprich!
Ach, haubentauchen wollte ich
Schon immer ja so gern, so gerne –
Doch stand es nicht in meinem Sterne.
Statt fröhlich – frischem Hauben – Tauchen
Heißt mich mein Los nur „Tauben“ hauchen.

 

Ork Nr. 35: Som Tam Gai Tord

ork35SZ Nr. 297(2014), S. 24; Nr. 95, 25./ 26.4.15, S. 16, 79; Nr. 133, 13./ 14.6.15, S.76; Nr. 139, 20./21.6.15, S. 8, 42; Nr. 146, 29.6.15, S. 38; Nr. 151, 4./5.7.15, S. 53, 78; Nr. 152, 6.7.15, S. 18; Nr. 169, 25./ 26.7.15, S. 48

Diese vier knappen Wörter standen kürzlich auf einer schwarzen Tafel in einem empfehlenswerten Thai-Restaurant in Nürnberg – St. Johannis. Darunter die Version für die Langnasen: Grüne Papaya – Salat, gebratenen Hühnerfleisch, Sticky Rice. So wacker schlägt sich die stets lächelnde Wirtin durch den Dschungel der deutschen Adjektiv-Deklination. Auch viele Sprachschaffende der SZ versuchen es ihr nachzutun, aber sie schlagen eher um sich, wie Schiffbrüchige auf hoher See. Dortselbst, vor Gericht und bei der Grammatik des Deutschen wissen sie sich alle in Gottes Hand.

Bei leichtem Wellengang fängt es ganz dezent an mit dem Beinchen – wechsel – dich – Spiel von  -n und -m. Der Unterschied ist ja minimal, quasi zu vernachlässigen:

„Eine DS besitzen stiftet Teilhabe am göttlichem Sein.“

„Er sitzt einem gegenüber mit gebügeltem hellblauen Hemd,“

„diesem spätkapitalistischem Credo kann sich heute kaum noch jemand entziehen.“

„Die Amerikaner wiederum könnte Pernod Ricard mit original kubanischen Rum beliefern.“

A propos Beinchen von n und m: Hier könnte eine alte Spruchweisheit unseren Schiffbrüchigen als rettende Planke dienen:
Der Pfärd, der Pfärd, der hat 4 Beinerl.
Fählt 1, dann wakelt.
Fählt 2, dan umfalt.

In rauheren Gewässern jedoch hilft kein Beinchenzählen mehr, da müssen unsere Schwimmer schon zum Freistil übergehen:

„Das Haus muss einen hauptamtlicher Leiter bieten.“

„Die Urteilsverkündungen sind, über ihren eigentlich Sinn und Zweck hinaus, ein pfeifendes Ventil geworden“ (hier kämpfte ein angesehenes Mitglied der Chefredaktion mit der kabbeligen See der Deklination).

„ein Problem … für das gesamten Finanzsystem.“

„Der große Gewinner beim Förderpreis „Neues deutscher Kino“ des Filmfests München“

„Das ist einerseits gut für die Fondsgesellschaft und andererseits gute für die Hausbank selbst.“

Doppelt genäht hält besser, dachte hingegen die Kollegin Bigalke:
„Vergangengenen Sommer war bereits über seinen Rücktritt spekuliert worden.“
Starke Beugung, nennen das die Schulmeister – so gehen Nägel mit Köpfen!

Noch smarter ist es freilich, das leidige Problem mit den Endungen einfach zu umdribbeln:
„Ist das nicht schnullibulli?“

Jaa, hier haben wir das perfekte Eigenschaftswort für gehetzte Journalisten! Wir empfehlen darum die intensivierte Verwendung auch von pillepalle, schickimicki, leckerschlecker, ballaballa, etepetete und wischiwaschi. Allein mit diesen sieben Samurai lassen sich weite Bereiche des politisch- gesellschaftlichen Lebens völlig endungsfrei abdecken. Bingo!

So meistern wir mit vielen kleinen Entwicklungsschritten Deutschlands Zukunft, freut sich
Orks – Otto

Ork Nr. 34: Osanna-Bischof mit Schulterblatt vom Angnus-Rind

ork34SZ Nr. 169, 25./26.7.15, S.21, 39, 72

O weh dir, du wunderschönes Bamberg, Herz des Frankenlandes, das du mit deinen sieben Hügeln als zweites Rom galtest, das du mit deinem Welterbe-Siegel alljährlich Legionen von Touristen in deine engen Gassen lockst – was ist aus dir geworden! Nicht genug damit, dass die romanische Klosterkirche den Michelsberg hinunterzurutschen  droht, jetzt hat man dir laut SZ auch noch den Bischofssitz weggenommen:

„In der ehemaligen Bischofsstadt mit ihren Kirchen und Klöster“.

Wenigstens haben in ihren „barocken Palästen die mittelalterlichen Strukturen fast unversehrt überdauert.“

Aber wie konnte es zu diesem brutalen Absturz vom Rang einer Bischofsstadt kommen, und das nach über 1000 Jahren als Erzbistum, gegründet von Kaiser Heinrich II. persönlich? Hat etwa Ex-Erzbischof Dr. Ludwig Schick seine Vierzimmerwohnung mit Seidentapeten und Statuetten von Niki de St-Phalle verschönern lassen? Trägt er beim Morgen-Jogging handgefertigte purpurrote Laufschuhe aus bolivianischem Faultierleder? Hat er seine Privatkapelle aus dem Schattenhaushalt des Erzbischöflichen Stuhls rundum mit goldgerahmten Spiegeln ausstatten lassen, hat ihn jüngst ein Investigationsteam der SZ, gestützt auf einen Maulwurf im Sankt-Heinrichs-Blatt, beim Papst verpfiffen, der ja gegen Protzbischöfe hart durchgreift? O nein, nichts dergleichen ist geschehen: Der Erzbischof hat sich angemaßt, am geheiligten Kanon der katholischen Messe herumzufummeln. Er hat vom feierlichen Lobgesang des Sanctus das Hosanna in excelsis ‚Hosanna in der Höhe‘ abgespalten und frech in „Osanna“ umbenannt; und er hat dann gar noch die Formel Benedictus qui venit in nomine Domini ‚Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herren‘ zusammengestrichen und verballhornt zu „Benedictus in excelsis“. Auch im letzten Stück jeder komponierten Messe, dem Agnus Dei, hat der liturgieschänderische Bischof, wohl für seinen bevorstehenden festlichen Abschiedsgottesdienst, die letzten drei Worte Dona nobis pacem ‚Gib uns Deinen Frieden‘ zum eigenen Teil erhoben.

Das ging einfach zu weit. Der Schöpfer der im Zeitungstext angeführten h-moll-Messe, der große J.S. Bach, hielt sich in excelsis angewidert die Hände vors Gesicht und ätzte in bestem Leipziger Sächsisch: “ Ihr seid mr ja scheene Gadoliggn!“ (Nachdem ihm ein bildhübscher Hostess-Engel einen Trunk vierzigprozentigen Ambrosias verabreicht hatte, fand er rasch zu seiner himmlischen Ruhe zurück). Da sich der Thomaskantor, von evangelischen Pfarrern in Weinlaune gern als fünfter Evangelist tituliert, dennoch bitter an höchster Stelle beklagte, hatte der Vorfall für den frevlerischen Gottesmann böse Konsequenzen: Er verlor seinen Posten nebst Anrede als Exzellenz, seine altehrwürdige Bischofsstadt wurde degradiert zum einfachen Dekanat im neuen Bistum Strullendorf, und mit dem langersehnten Großen Bundesverdienstkreuz mit „Stern und Schulterblatt“, also rückseitig zu tragen, war es auch Essig.

Übrigens, woran denkt der Franke bei dem Wort Schulterblatt? Na klar, an ein saftig-zartes, knusperschwartiges, duftendes Schäuferla oder Schaiferler, umrahmt von Klößen und Bierkrug. Jetzt kriegt er kein Abschiedswort mehr heraus vor lauter zusammengelaufenem Wasser im Mund,

dieser erzlüsterne
Orks-Otto

Schwedische Rhapsodie

sz_ikeaLeichte Klänge zum Nürnberger Baddndreffm

Was tut eine biedere Durchschnittsfamilie an einem verregneten Ferientag, um ihrer Selbstzerfleischung zu entgehen? Sie kann sich zum Beispiel ins Auto quetschen und das urgemütliche kleine Gasthaus zum blaugelben Elch ansteuern. Dort darf sich jeder erstmal eine altersgemäße Portion Köttelbullar einwerfen, bevor sie alle zu einem Rundgang durch die Möbeletage aufbrechen. Natürlich braucht man keine neuen Möbel, aber umschauen kann man sich ja und die Zeit vergeht auch darüber.

Man schlendert vorbei an den Zweiersofas KNOPPARP und KLIPPAN, über denen das leicht psychedelische Bild PJÄTTERYD hängt, schaut kurz auf das Bettsofa LUGNVIK, streicht mit der Hand über den Polstersessel EKTORP mit dem Bezug MOBACKA, wirft einen Blick auf die Drehstühle SKRUVSTA und SUILLE, geht vorbei am Bettgestell TRYSIL – oder war es LEIRVIK?

Die junge Fernsehansagerin Evelyn Hamann, der Namen wie Thistlethwaite oder so ganz flüssig von der Zunge gingen, hätte freilich kein Problem gehabt mit der Aussprache von VITTFJÄRTL, SKRUVSTA oder JÄMNT, aber Otto Normalverbraucher muss da schon seine Sprachmotorik bis zur Nenndrehzahl hochfahren. Aber irgendwann macht es dann KLICK in seinem Kopf, und er sieht sich samt einer tiefenentspannten Familie in einem roten Volvo Kombi an einem dieser endlosen Sommerabende über einsame Landstraßen durch Småland oder Värmland gleiten, und irgendwo hinter den Wäldern wartet am Seeufer ein kleines falunrotes Holzhaus auf sie, in dem man nie endende, sonnenüberströmte, unendlich friedvolle Sommerferien verbringt – ach wäre det nich wunderscheen!

Aber in einer neuen Bettwäsche lässt es sich auch herrlich träumen vom Urlaub bis zum Abwinken; die Frauen des Hauses dürfen in der Markthalle wählen zwischen FÄRGLAV, ÖDESTRAD, DVALA, SÖTBLOMSTER, SÅNGFÅGEL, TOFSVIVA, PIMPLA, STENKLÖVER, LINBLOMMA, ÄNSKÄRA, KRÅKRIS und KUSTRUTA. Nur der Herr Sohn besteht auf BERRANGEL, wegen dem aufgedruckten Skelett: „Voll kuhl, ey“.

Das Kinderzimmer wird weiter aufgerüstet mit einer Gymnastikmatte PLUFTIG, zwei Leselampen UPPBO und KLABB und dem Bauchschläferkissen GOSASLÅN für spottbillige Zwoneunundneunzig. Für das Bad gibt es Gästehandtücher NÄCKTEN, schlappe 29 Cent das Stück, und einen Flechtkorb KNARRA, oder vielleicht doch RIFFLA? Für das Küchen-Upgrade fehlen noch blaugeblümelte Tassen JÄMNT, eine Servierschüssel SKÄCK, ein Schneidebrett PROPPMÄTT und die Abfalltonne KNODD. Und nicht zu vergessen: Ein paar Vanilleduftkerzen SINNLIG.

Hinter der Kasse belohnt sich unsere leicht abgeschlaffte Familie für das mittsommerabendlange Anstehen mit Hotdogs und einem Becher Cola. Während dann alle noch an einem Softeis schlecken, träumt Papa sich in den schwedischen Winter, wo fröhliche Menschen knæk naschen und dazu glögg trinken, der aber nur glögglich macht mit Alk drin. Skål, alter Schwede!

Und dann geht es mit dem Einkaufswagen hinaus auf den Parkplatz, Auto suchen gehen. Tief am Himmel zeigt sich die Abendsonne hinter den abziehenden Regenwolken.

Hinweis: Alle hier angeführten Produktnamen wurden nach sorgfältiger Prüfung aus dem Katalog 2014/15 eines schwedischen Möbelhauses ausgewählt. Eine Gewähr für richtige Wiedergabe bzw. Lieferbarkeit der betreffenden Artikel kann jedoch nicht übernommen werden.

Ork Nr. 33: Zeugen gesucht

ork33SZ Nr. 125, 3./4.6. 15, S.21,57

VOX OBULI VOX DEI: So steht es in goldenen Lettern auf dem silberglänzenden Ehrenschild von Sir Joseph Blatter, Hoch- und Großmeister des weltweit verbreiteten Order of the Bribish Empire (OBE). Auf deutsch bedeutet die Devise soviel wie ‚Die Stimme der Kleinspende ist Gottes Anruf‘.
Aber halt, werden jetzt die Lateiner protestieren: Erstens lautet der Spruch korrekt Vox populi vox Dei, ‚Volkes Stimme ist Gottes Stimme‘, und zweitens heißt es, lateinisch wie deutsch, obolus!
Aber was vermögen alle dahergeschleppten Wörterbücher gegen das Wort vertrauenswürdiger Zeugen wie

a) Herr Philipp Crone: „Viel trinken, hat der Arzt gesagt, gehört zwar ebenfalls mit einem ordentlichen Obulus in das Barphrasenschwein belegt“;

b) Herr/Frau/Firma TÖ: „Der zusätzliche Obulus fällt nach Angaben des WSI unterschiedlich aus“.

Sicher befinden sich im Dunstkreis der SZ noch weitere Zeugen, die im Streitfall Obulus vs. Obolus ihre Aussage zu Protokoll geben könnten. Sie werden hiermit aufgefordert, sich bei der Sprachkammer des Landgerichts Nürnberg I zu melden; dieses wird Volkes Stimme gebührend zu würdigen wissen. Und wer verbreitet Volkes Stimme unermüdlich landauf, landab? Richtig, die SZ.
Als kleines Dankeschön hat sich ihr rechtschreibendes Völkchen Eintrittskarten für die Carl-Orff-Festspiele verdient, und zwar zu der Neuproduktion von Astutuli, ‚Die Cleverle‘. Gerne würde dazu seinen Obolus beisteuern

Ihr ausnahmsweise spendenfreudiger
Orffs-Otto

Ork Nr. 32: Nimm 2, zahle 3 – faszinierende Welt der Zahlen

ork32SZ Nr. 125, 3./4.6. 15, S.7, 26; Beilage Plan W, 01/2015, S.4

Zahlen bestimmen unser Leben. Von den Milliardenbeträgen, die unsere Politiker in Berlin und anderswo in diversen Fässern ohne Boden versenken bis zu den Transfermillionen auf dem Gladiatorenmarkt, von den perversen Zahlen einer süßlich lächelnden Lottofee bis zur allmonatlichen Dekarbonisierung auf unserem Bankkonto, die nur durch eine frische Ladung Kohle gestoppt werden kann.
Da ist es beruhigend zu wissen, dass auch im Reich der Zahlen die Süddeutsche mutig und entschlossen vorangeht und ihren Lesern neue Wege durch das Labyrinth der Arithmetik aufzeigt.

Yannis in der Unterwelt

„Am Dienstagvormittag…twitterte der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis ein Gespräch, das er schon im Juni 2000 mit dem gerade verstorbenen Spieltheoretiker John Nash Jr. geführt hatte.“

Seit jenem denkwürdigen Millenniumsdisput mit dem frisch zugezogenen Hadesbewohner Nash soll Mister Varoufakis von dem Thema „Ideal Money“ nie mehr ganz losgekommen sein. Dabei ist die Lösung des Problems so klar wie einfach:
1. Alles für alle.
2. Zusätzlich 2000 Euro Sofortrente für alle EU-Parlamentsmitglieder.

Da raucht der Rechner

„Rein rechnerisch entstehen in Berlin täglich zwei Start-ups.“

Rauchzeichen aus dem Grabhügel?

Wenn Madame George Sand, die eigentlich Aurore Dudevant, née Dupin hieß, nicht gerade Hosenanzüge wechselte, Zigarren einkaufte oder ihren kränklichen Lover Frédéric Chopin betüttelte, schrieb sie fleißig Romane, so fleißig, dass böse (Männer-) Zungen sie als „vache à romans“ verspotteten. Das alles und noch viel mehr tat sie bis 1876. Dann nahm der Schwarze Engel ihr die letzte Havanna ganz sacht aus den Fingern. Bis dahin war also quasi sozusagen ziemlich genau „Ende des 19. Jahrhunderts.“

Mit algorithmisch – fiskalanarchischer Leidenschaft knobelt über seinem Rechenheft
Orks-Otto

Ork Nr. 31: Der Gar ist aus

ork31SZ Nr. 144, 26.6.15, S.22

Das in Verruf geratene Ackergift Glyphosat wird, so weiß es die SZ, leider oft eingesetzt, um

„lästigen Pflanzen den Gar auszumachen.“

Der Gar ist also eine Art Lebenssaft, der den Unkräutern abgedreht wird, oder auch ihr astrales Lebenslicht, das mittels Glyphosat schnöde ausgemacht wird. Das Wort ist heute eher selten anzutreffen; nur die asiatische Garküche erinnert noch an frühere Garzeiten. Und zwei entfernte Verwandte des Gars sind in Christian Morgensterns Gingganz zuhause:

„Golch und Flubis, das sind zwei
Gaukler aus der Titanei,
Die mir einst in einer Nacht
Zri, die große Zra, vermacht.“

Neben und unter unserem Gar als vegetativem Vitalprinzip hat Silvia Liebrich als Herausforderung für die Leser noch 11 (elf) kleine und größere ‚Besonderheiten‘ und Ungereimtheiten in ihrem Text versteckt, die der Orkjäger als nicht abschusswürdig übergeht. Aber der neue Lesertyp, den die SZ per Großanzeige sucht, wird es sich nicht nehmen lassen, das dreckige Dutzend ans Licht zu zerren.

Hat hier Frau Liebrich sich den Liedermacher Hans Söllner zum Vorbild genommen? Der würde ihr jedenfalls den Genuss von glyphosatfrei angebautem Bio-Gras empfehlen: „Es öffnet was in meinem Kopf, wenn ich abends vor meinem Haus sitze und rauche. Ich bin kreativ, ich habe Ideen, ich schreibe“ (SZ Nr. 144, S.44). Falls sie aber von einem Besuch im Kiffhäuser absehen möchte, so könnte sie doch versuchen, mit einem großzügigen Trank- und Speiseopfer das Erbarmen Nabûs, des altbabylonischen Schutzgottes der Schreiber und Gelehrten, auf sich herabzurufen.

In Vertretung der Gottheit nähme es gar huldvoll entgegen
Orks-Otto