Archiv für den Monat: Februar 2016

Freue dich, erlöste Schar!

Kantate zum Gedenktag Johannes des Täufers, Bach-Werkverzeichnis Nr. 30

Liebe Lesergemeinde,

Eigenartiges hat sich ereignet: Der Orks – Jäger hat seine Jagdlust eingebüßt.
Der „Versuch über Hebe“, den Sie beim Zurückblättern finden, war ihm eine ungleich größere Herausforderung als Satire in Kurzform, aber auch eine reizvollere.
Schreiben, worüber er will, so kurz oder so lang, wie es das Thema hergibt, in Prosa, in Gedichtform oder auch als Text-Bild-Collage, mit einem Wort: Freiheit!
Vorbei das geduldige Durchmustern daumendicker Zeitungen!

Außerdem geben 55 erlegte Orks auch schon eine stattliche Strecke ab, die nun im Geiste zu verblasen ist. Sie führt dem Betrachter anschaulich vor Augen, dass in der Süddeutschen Zeitung neben wahren Könnern und soliden Handwerkern auch arge Schlamper und Stümper am Werk sind. Quod erat demonstrandum.

Der Jägersmann hat sein Werk verrichtet. Er mutiert von heut an zum lone rider, zu einem Lucky Luke der Schriftstellerei, nur ohne Fluppe im Mundwinkel, der auf seinem Klepper der Abendsonne entgegenreitet. Dabei braucht er – bis auf weiteres – keine Zuschauer.

Zum Abschied dreht er sich noch einmal im Sattel um und ruft Ihnen zu: Bye-bye und – leise – Servus.

Orks – Otto

orkBYE

Ork Nr. 55: Dichtung und Wahrheit

SZ Nr. 19, 24./ 25. 1. 15, S. 60; Nr. 257, 7./ 8. 11. 15, S. 54

ork55Noch einmal müssen wir Goethe bemühen, um dem Rang zweier ganz großer Texte der Weltliteratur gerecht zu werden. Der Olympier erzählt übrigens in Dichtung und Wahrheit sein eigenes Leben ganz so, wie es ihm gefällt.
Natürlich ist sich auch die SZ ihres privatrechtlichen Bildungsauftrages wohl bewusst: Mit selbstbewusster Nonchalance blendet sie ab und an große Werke, große Namen der Weltliteratur in ihren Diskurs ein und vermittelt solcherart ihren Rezipienten, sprich Lesern, immer wieder neue Durchblicke auf das Kulturerbe der Menscheit.

Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung wurde die T(h)ora redigiert, für die Christen später die ersten fünf Bücher des Alten Testaments. Darin wird erzählt, wie der hebräische Anführer Moses den Berg Sinai bestieg, um Jahwes Gebote entgegenzunehmen.
Auf zwei Steintafeln brachte er die göttlichen Weisungen vom Berg herunter ins Lager der Israeliten; im Buch Exodus steht nichts darüber, ob auf den „steinernen Tafeln, die vom Finger Gottes beschrieben waren“, auch eine Zählung stand.
Nach christlicher Tradition sind die Zehn Gebote jedenfalls durchnummeriert, und jedes Schulkind musste sie einst auswendig lernen.
Das achte Gebot „Du sollst gegen deinen Nächsten kein falsches Zeugnis abgeben“ wurde ad usum delphini in die Formel „Du sollst nicht lügen“ umgeschrieben.

Bei der SZ erfolgt nun ein weiterer Traditionsschritt: Das 8. Gebot wird um einen Rang abgestuft:

„Wer sich bei einem lästigen Anruf von seinen Kindern am Telefon verleugnen lässt, braucht nicht mit dem 9. Gebot aus der Bibel anzukommen – Du sollst nicht lügen.“

En passant verstößt der Tabellen-Manipulierer noch gegen das Gebot „Brauchen ist mit zu zu gebrauchen, sonst ist es überhaupt nicht zu gebrauchen“, aber das ist wenigstens nicht Gottes Gebot und Moses hätte auf den Lapsus wohl nur mit einem Achselzucken reagiert.

An das 9. Gebot neuer Zählung schließt sich nahtlos an das
„10. Gebot des guten Geschmacks: Du sollst zu jeder Tageszeit göttlich genießen!“

Dieses Gebot verkündet freilich weder die Bibel noch die Süddeutsche, sondern die Firma Le Buffet Restaurant & Café Gesellschaft m.b.H.
Solche Reli-Lehrer Lob ich mir!

Grob gerechnet zweitausend Jahre nach der Abfassung des Alten Testamens schrieb der „Großdichter“ Dante Alighieri im Exil „die wichtigsten Kapitel seines Inferno“; dieses war offenbar ein Roman, dessen deutsche Ausgabe unter dem Titel Barfuß durch die Hölle antiquarisch noch erhältlich ist.
Und der SZ zufolge muss Dante das Werk in der Nähe der mittelitalienischen Orte La Verna und Soci geschaffen haben, die beide übrigens „nicht weit von dort“, das heißt von Assisi liegen sollen und laut Google Maps reichlich 200 Kilometer voneinander entfernt liegen
Nach Auffassung der übrigen Fachleute entstand die Divina Commedia teilweise in Verona und Ravenna, neben etlichen anderen Exilorten; La Verna, Assisi und Soci waren nicht wirklich darunter.

Nebenbei bemerkt: Wenn „sich vor genau 600 Jahren Franz von Assisi in sein Kloster La Verna zurückzog“, dann müsste das im Jahr 1415 gewesen sein. Da war der Heilige aber schon seit bald 200 Jahren tot.

Wie man nur auf engstem Raum soviel Mumpitz verzapfen kann – fürwahr ein journalistisches Kabinettstückchen!

Der gestrenge Dante, der auf unserem Bildchen so grimmig dreinschaut wie anno 1938 Anderl Heckmair in den vereisten Ausstiegsrissen der Eiger-Nordwand, schickt die Verfälscher der Wahrheit in das zehnte (!) Untergeschoß der Hölle, wohin noch kein James Bond und kein Indiana Jones je seinen Fuß gesetzt hat.
Ewig durchnässt, infektiösen Gestank ausdünstend, liegen sie zusammengedrängt und bewegungslos auf dem Grund der Hölle.

Unsere beiden Wahrheitsentsteller von der SZ werden vor Gottes Gericht sich vermutlich auf mangelnden Tatvorsatz bei ihrem Tun berufen. Also kehren wir lieber von Dante zurück zur Bibel und wiederholen die Worte Jesu, der soeben eine beim Ehebruch ertappte Frau vor der Steinigung bewahrt hat: Gehe hin und sündige fortan nicht mehr!

Im Geiste christlicher Vergebung
Orks – Otto

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