Freue dich, erlöste Schar!

Kantate zum Gedenktag Johannes des Täufers, Bach-Werkverzeichnis Nr. 30

Liebe Lesergemeinde,

Eigenartiges hat sich ereignet: Der Orks – Jäger hat seine Jagdlust eingebüßt.
Der „Versuch über Hebe“, den Sie beim Zurückblättern finden, war ihm eine ungleich größere Herausforderung als Satire in Kurzform, aber auch eine reizvollere.
Schreiben, worüber er will, so kurz oder so lang, wie es das Thema hergibt, in Prosa, in Gedichtform oder auch als Text-Bild-Collage, mit einem Wort: Freiheit!
Vorbei das geduldige Durchmustern daumendicker Zeitungen!

Außerdem geben 55 erlegte Orks auch schon eine stattliche Strecke ab, die nun im Geiste zu verblasen ist. Sie führt dem Betrachter anschaulich vor Augen, dass in der Süddeutschen Zeitung neben wahren Könnern und soliden Handwerkern auch arge Schlamper und Stümper am Werk sind. Quod erat demonstrandum.

Der Jägersmann hat sein Werk verrichtet. Er mutiert von heut an zum lone rider, zu einem Lucky Luke der Schriftstellerei, nur ohne Fluppe im Mundwinkel, der auf seinem Klepper der Abendsonne entgegenreitet. Dabei braucht er – bis auf weiteres – keine Zuschauer.

Zum Abschied dreht er sich noch einmal im Sattel um und ruft Ihnen zu: Bye-bye und – leise – Servus.

Orks – Otto

orkBYE

Ork Nr. 55: Dichtung und Wahrheit

SZ Nr. 19, 24./ 25. 1. 15, S. 60; Nr. 257, 7./ 8. 11. 15, S. 54

ork55Noch einmal müssen wir Goethe bemühen, um dem Rang zweier ganz großer Texte der Weltliteratur gerecht zu werden. Der Olympier erzählt übrigens in Dichtung und Wahrheit sein eigenes Leben ganz so, wie es ihm gefällt.
Natürlich ist sich auch die SZ ihres privatrechtlichen Bildungsauftrages wohl bewusst: Mit selbstbewusster Nonchalance blendet sie ab und an große Werke, große Namen der Weltliteratur in ihren Diskurs ein und vermittelt solcherart ihren Rezipienten, sprich Lesern, immer wieder neue Durchblicke auf das Kulturerbe der Menscheit.

Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung wurde die T(h)ora redigiert, für die Christen später die ersten fünf Bücher des Alten Testaments. Darin wird erzählt, wie der hebräische Anführer Moses den Berg Sinai bestieg, um Jahwes Gebote entgegenzunehmen.
Auf zwei Steintafeln brachte er die göttlichen Weisungen vom Berg herunter ins Lager der Israeliten; im Buch Exodus steht nichts darüber, ob auf den „steinernen Tafeln, die vom Finger Gottes beschrieben waren“, auch eine Zählung stand.
Nach christlicher Tradition sind die Zehn Gebote jedenfalls durchnummeriert, und jedes Schulkind musste sie einst auswendig lernen.
Das achte Gebot „Du sollst gegen deinen Nächsten kein falsches Zeugnis abgeben“ wurde ad usum delphini in die Formel „Du sollst nicht lügen“ umgeschrieben.

Bei der SZ erfolgt nun ein weiterer Traditionsschritt: Das 8. Gebot wird um einen Rang abgestuft:

„Wer sich bei einem lästigen Anruf von seinen Kindern am Telefon verleugnen lässt, braucht nicht mit dem 9. Gebot aus der Bibel anzukommen – Du sollst nicht lügen.“

En passant verstößt der Tabellen-Manipulierer noch gegen das Gebot „Brauchen ist mit zu zu gebrauchen, sonst ist es überhaupt nicht zu gebrauchen“, aber das ist wenigstens nicht Gottes Gebot und Moses hätte auf den Lapsus wohl nur mit einem Achselzucken reagiert.

An das 9. Gebot neuer Zählung schließt sich nahtlos an das
„10. Gebot des guten Geschmacks: Du sollst zu jeder Tageszeit göttlich genießen!“

Dieses Gebot verkündet freilich weder die Bibel noch die Süddeutsche, sondern die Firma Le Buffet Restaurant & Café Gesellschaft m.b.H.
Solche Reli-Lehrer Lob ich mir!

Grob gerechnet zweitausend Jahre nach der Abfassung des Alten Testamens schrieb der „Großdichter“ Dante Alighieri im Exil „die wichtigsten Kapitel seines Inferno“; dieses war offenbar ein Roman, dessen deutsche Ausgabe unter dem Titel Barfuß durch die Hölle antiquarisch noch erhältlich ist.
Und der SZ zufolge muss Dante das Werk in der Nähe der mittelitalienischen Orte La Verna und Soci geschaffen haben, die beide übrigens „nicht weit von dort“, das heißt von Assisi liegen sollen und laut Google Maps reichlich 200 Kilometer voneinander entfernt liegen
Nach Auffassung der übrigen Fachleute entstand die Divina Commedia teilweise in Verona und Ravenna, neben etlichen anderen Exilorten; La Verna, Assisi und Soci waren nicht wirklich darunter.

Nebenbei bemerkt: Wenn „sich vor genau 600 Jahren Franz von Assisi in sein Kloster La Verna zurückzog“, dann müsste das im Jahr 1415 gewesen sein. Da war der Heilige aber schon seit bald 200 Jahren tot.

Wie man nur auf engstem Raum soviel Mumpitz verzapfen kann – fürwahr ein journalistisches Kabinettstückchen!

Der gestrenge Dante, der auf unserem Bildchen so grimmig dreinschaut wie anno 1938 Anderl Heckmair in den vereisten Ausstiegsrissen der Eiger-Nordwand, schickt die Verfälscher der Wahrheit in das zehnte (!) Untergeschoß der Hölle, wohin noch kein James Bond und kein Indiana Jones je seinen Fuß gesetzt hat.
Ewig durchnässt, infektiösen Gestank ausdünstend, liegen sie zusammengedrängt und bewegungslos auf dem Grund der Hölle.

Unsere beiden Wahrheitsentsteller von der SZ werden vor Gottes Gericht sich vermutlich auf mangelnden Tatvorsatz bei ihrem Tun berufen. Also kehren wir lieber von Dante zurück zur Bibel und wiederholen die Worte Jesu, der soeben eine beim Ehebruch ertappte Frau vor der Steinigung bewahrt hat: Gehe hin und sündige fortan nicht mehr!

Im Geiste christlicher Vergebung
Orks – Otto

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Ork Nr. 54: Der Kasus macht mir Lachen

SZ Nr. 25, 31. 1./ 1. 2. 15, S. 8; Nr. 31, 7./8. 2. 15, S. 75; Nr. 43, 21./ 22. 2. 15, S. 19, 75; Nr. 49, 28. 2./ 1. 3. 15, S. 28; Nr. 67, 21./ 22. 3. 15, S. 30; Nr. 146, 29. 6. 15, S. 24; Nr. 152, 6. 7. 15, S. 24; Nr. 169, 25./ 26. 7. 15, S. 75; Nr. 192, 22./ 23. 8. 15, S. 89

ork54Die Überschrift haben wir – standesgemäß – vom Dichterkollegen Goethe entlehnt, näherhin aus der Studierzimmer-Szene im ersten Teil von Faust I. Im Original steht zwar „Der Casus macht mich lachen“, aber viele heutige Sprachteilhaber finden diesen Akkusativ nicht wirklich straight, eher kinky.

Und auch die Mehrheit der SZ – Poeten entscheidet sich im Zweifel für den Dativ, der ohne Zweifel eine seriös-gehobene Anmutung für sich hat.
Das dachte sich wohl auch Herr Prof. Dr. Norbert Lammert, Präsident des Deutschen Bundestags. Der Orks-Jäger freut sich über eine kleine, aber feine high-end Trophäe an der Stubenwand!

„Der Deutsche Bundestag gedenkt Heinrich Windelen in respektvoller Hochachtung und Dankbarkeit.“

Natürlich will da auch die SZ gedenktechnisch nicht zurückstehen:

„Die Stadt Garching will bei einem Festgottesdienst dem jungen Mann gedenken.“

Im Vergleich zu diesem Dativ aus protokollarisch zweithöchster Hand unseres Staatswesens nehmen sich die übrigen Dative aus SZ – Hand deutlich bescheidener aus, aber ein Statement sollen sie wohl doch sein:

„Als die National Organisation For Women ihm 1974 zum „Male Chauvinist Pig of the Year“ erklärte“,

und aus derselben Feder gleich noch ein Bekenntnis zum Dativ:

„In der Politik mag ihm der Name am Ende die Posten als Friedensrichter und Gouverneur von Texas gekostet haben“.

„Die Kasachen brauchen halt neun Fahrer, wenn sie ihrem Leader Vincenzo Nibali beim Kampf ums Gelbe Trikot unterstützen wollen“.

„Mendels Erwähltheit manifestiert sich in seiner wesenseigenen Schuld, von der ihm der eigene Sohn Menachem befreit.“

„Europäern und auch einigen Brasilianern mutet das Schauspiel kurios an“.

Alte Schulmeister würde die Kasuswahl wohl auf genau die „Kokosnusspalme“ treiben, die dem Verfasser des Textes als Alleebaum in Helsinki unpassend erscheint.

Andere Dekliniermeister von der SZ erweisen sich als mutige Sprachvereinfacher. Sie stehen auf den Akkusativ, nach herkömmlicher Norm freilich auf dem falschen Fuß bzw. Fall:

„Die Menschen dankten das Werk mit Applaus.“

„Besteht der Fahrer hingegen auf die altmodische Ansage“

„Damit wollen Edeka und Tengelmann die Bedenken des Kartellamts Rechnung tragen.“

Zum Ausgleich gibt es zwei Sätze weiter einen Bonus-Dativ:

„Es geht um 451 Tengelmann- und Kaisers -Supermärkten mit rund 16000 Mitarbeitern.“

Als Dreingabe verrät Ihnen Otto einen deutschen Satz, in dem die Wörter Danzig und Nachtmütze vorkommen:
Wenn ick mit meine Emma ausjeh, tanz ick die janze Nacht mit se.

Im Übrigen wird nach der janzen Nacht auch der Tag kommen, an dem Sie, liebe Leserinnen und Leser, ihrem Orks-Otto – auf Wunsch auch: ihres Orks-Ottos – in respektvoller Hochachtung und Dankbarkeit gedenken dürfen.

Für heute aber verbeugt sich vor einem hochverehrten Publico
Orks – Otto

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Ork Nr.53: You never walk alone

SZ Nr. 7, 10./ 11. 1. 15, S. 72; Nr. 31, 7./ 8. 2. 15, S. 87; Nr. 37, 14./ 15. 2. 15, S. 16; Nr. 125, 3./ 4. 6. 15, S. 20; Nr. 151, 4./ 5. 7. 15, S. 42; Nr. 163, 18./ 19. 7. 15, S. 42; Nr. 169, 25./ 26. 7. 15, S. 25; Nr. 204, 5./ 6. 9. 15, S. 13, 31; Nr. 212, 15. 9. 15, S. 2; Nr. 216, 19./ 20. 9. 15, S. 15, Vinothek; Nr. 257, 7./ 8. 11. 15, S. 59

ork53Diese vollmundige Zusicherung verliert etwas an Überzeugungskraft, wenn man erst einmal tagelang nicht bloß allein walkt, sondern etwa im Krankenhaus liegt, ohne dass ein Besucher in Station B, Zimmer 317 auftaucht.
Aber in der Sprache, da kann man sich ziemlich darauf verlassen: Ein Substantiv hat meistens auch eine Pluralform. Nur wie die dann aussehen soll, das machen die SZ – Autoren mit ihrem eigenen Gewissen bzw. ihrem Herrgott direkt aus, zumal die Grammatik des Deutschen eine geradezu verwirrende Anzahl von Pluralbildungen zur Wahl stellt. Obendrein hat der SZ – Mann oder die SZ – Dame von Welt ja zwischendurch auch mal einen Abstecher ins fremdsprachige Ausland zu bewältigen.

So let them shoot it out:

„auf dem schwarzen Asphaltband ein Kumpane auf einsamem Weg“

„Dittrich hatte kein Holz. Aber Ziegeln und Ananas.“

„Sollen die Bälge doch Bayern-Fans bleiben“

„Erwachsene Männern hüpften plötzlich jauchzend herum wie Teenager.“

„Daher gibt es keine öffentlich ausgetragenen Streits zwischen Aktionären und Management“

„Die Bergen draußen sind in dichte graue Wolken gehüllt.“

„bisher waren die vielen Tausenden, die Zehntausenden, die kamen, immer durchgereist“

„Rentner 6000 und Kindern 2000 Ost-Mark.“

„In den Vorspännen der Filme“.

Und jetzt geht es zum Italienischen und zum Französischen nach dem bewährten Motto „Durch Einfalt zur Vielfalt“!

„Ein Museum für zeitgenössische Kunst hat ein Graffiti von ihrem Gesicht an der Wand.“
Zum Problem der italienischen Pluralbildung dürfen wir hier folgenden nützlichen Merksatz beisteuern:
Der Mafiosi schleckt ein Gelati und sprüht für den Paparazzi ein Graffiti.
Darauf einen Ladde Matschiado!

Und zuguterletzt zum Plural von französisch château, das eigentlich ‚Schloss‘ oder ‚Burg‘ bedeutet, dem Weinliebhaber jedoch unermessliche Sinnenlust.
Nur der Pedant behauptet, der stumme Endbuchstabe –x sei ein Pluralzeichen. Der wahre Connaisseur, z. B. der Herr Max Scharnigg, verwendet es als Qualitätsabzeichen: Ein einfacher „Chateaux“ taugt immerhin fürs Abendbrot, die „Châteaus“ (mit Zirkumflex, chapeau!) sagt der Sommelier seinen illustren Gästen bei einem opulenten Dîner an.

Mit diesem starken Abgang (auf der Zunge und auch sonst) verabschiedet sich
mit vielfache Grüßer

Orks – Otto

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Ork Nr. 52: Lug und Trug

SZ Nr. 287, 12./13.12.15, S.35

ork52Wie schön, dass der Saisonabschluss des Süddeutsche Zeitung Business Golf Cup presented by Audi 2015 in Belek an der Türkischen Riviera bei garantiert bester Stimmung und Urlaubsatmosphäre unter den etwa 70 Teilnehmern stattfinden konnte!
Und alles das wissen wir nur dank einer ganzseitigen, weiß auf schwarzem Grund gedruckten Mitteilung der SZ an ihr andächtiges Leservolk.
Aber hätte einer behaupten wollen, diese denkwürdigen fünf Tage seien zur Gänze unter türkisblauem Himmel und der gesellschaftlichen Bedeutung des Events angemessenem spätherbstlichem Sonnenschein verstrichen, der lügte sich in die eigene Tasche:

„Der Schein des guten Wetters am Vormittag trügte leider und nach neun gespielten Löchern war an Golfsport nicht mehr zu denken.“

Wie gut fügte es sich da, dass „die sehr gute Stimmung unter den Gästen trotz Turnierabbruch erhalten blieb und Pläne abseits des Golfsports“ – Fantasie, halt ein! – „kurzerhand geschmiedet wurden.“
Als Elite-Gäste genügten sie schlechterdings sich selbst.  Einige Unausgeschlafene zogen sich freilich zurück und pflügten der Ruhe.
Ach, Sie meinen, es müsste heißen „pflogen der Ruhe“?  Na gut, wenn Sie meinen – aber dann wollen wir doch die ganze Geschichte nochmal von vorn aufrollen:
lügte wird log, trügte zu trog, pflügten zu pflogen; nur fügte und genügten können (in der SZ allemal), aber müssen nicht zwingend in fog, genogen umgeändert werden. Akzeptiert?
Nun, so ist „Golf-Spaß vorprogrammiert und der Wind kann bestens bezwungen werden“.

Wenn sie damit nur nicht den Windgott Aiolos herausgefordert haben, sonst bläst der ihnen noch gehörig den Marsch.

Wahrlich, wenn es die SZ nicht schon gäbe, man müsste sie erfinden, frohlockt der schwerbeladene Jägersmann
Orks-Otto

PS:  Hätten die Süddeutsche und die Lyrikerin Julie Schrader (1882-1938) gleichzeitig existiert, so hätten die beiden instinktsicher zueinander gefunden:

Als die ersten Knospen sprossen,
Dämmerte der Ostertag,
Ach, ich habe es genossen,
Daß man Frühlingsmilde pflag.

Ork Nr. 51: Streckenrekord

SZ Nr. 287, 12./13.15, S.44

ork51Dass die beiden Mercedes-Piloten Nico Rosberg und Lewis Hamilton sich mittlerweile so lieb haben wie Hund und Katz, ist weithin bekannt. Umso dankbarer ist der am Rennsport oder an der männlichen Psyche interessierte Leser für eine Zitatensammlung in der Hasskappen-Story Nico vs. Lewis.
Zwei SZ-Sportredakteure haben sie zusammengetragen und mit kurzen Kommentaren versehen. Da kann doch sprachlich nichts schiefgehen, denkt unsereins. Denkste:  Gleich achtmal staubt es im Schotterbett, fliegen Strohballen durch die Luft!
Das kommt wohl vom Speed-Writing, bei dem sich die Herren Hofmann und Neudecker ein heißes Duell mit qualmenden Keyboards geliefert haben.
Und ab geht die Post:

„Rosberg, der seinen Vertrag 2015 um mehrerer Jahre verlängerte“ – quiietsch!

„Dass mit Lewis wird sehr gut funktionieren.“ – jauul!

„Zum Start der Saison 2014 tritt dann ein neues Reglement in kraft.“ – vroom!

„Zwei Tage nach dem Rennen sitzt er bereits für Testfahrten wirder im Auto.“ – roarrr!

„Was den Triumph eine besondere Süße verleiht:“ – quallmm!

“ Als Hamilton ihm vor der Siegerehrung eine Schildkappen zuwirft“ – kreischsch!

“ Wenn es für das Team nachteilig ist, würde das bedeuten, dass wir unseren langfristiges Plan in der Fahrerfrage nicht beibehalten werden.“ – rrrumpel!

„Hamiltons Konter lässt sich lange auf sich warten.“ -schepper!

Und was meint beim Abwinken der gute alte Werner dazu?
“ Volles Röääh!“ – „Gekotzt wird später!“
Hallo SZ:  Von Werner lernen heißt schreiben lernen!

Zwei Seiten weiter verpasst die SZ der Neuen Zürcher Zeitung eine kurze Abreibung in Sachen Stilistik und Kleinschreibung:

“ Dass „Bäume nicht in den Himmel wachsen“ und ähnliches liest man in ihrer Zeitung auffallend oft.  Anderswo werden solche Stilblüten konsequenter redigiert.“

C’est Gros-Jean qui en remontre a son curé, würde dazu der Welschschweizer sagen – ‚Hans Wurst erteilt seinem Pfarrer Belehrungen‘.

Dass auch bei der SZ längst nicht alle Bäumchen in den Himmel wachsen und das Blatt stattdessen „konsequenter redigiert“ gehört, davon versucht er seine Leser in geduldiger Kleinarbeit zu überzeugen

Orks-Otto

Kleiner Rückblick auf 50 Orks

Jeder Filmliebhaber kennt Jäger des verlorenen Schatzes, im Original Hunter of the Lost Ark. Verabschiedet sich Orks – 50_bdayOtto nun mit dem 50. Text als Hunter of the Last Ork?
Das fiele ihm schwer, zumal der schöne braune Hut, den er sich als Fan von Indiana Jones zugelegt hat, noch wie neu aussieht. Und weil sein Jagdrevier namens SZ jeden Samstag noch nie betretene, verlockende Hochwälder, Dickichte, Lichtungen und Sichtschneisen eröffnet, in und auf denen jeden Augenblick ein Beutetier auftauchen könnte. Ganz viel banales Kroppzeug, dazwischen manche ganz passablen Böcke, und über allem liegt die unbestimmte Witterung des einen fabulösen Prachtexemplars, eines Sechzehnenders etwa, der in ahnungsloser Selbstgewissheit dasteht und dem sicheren Rohr des Jägers die Brust zum Blattschuss hinhält.
In Wirklichkeit freilich erinnern Ottos Beutezüge eher an die ermüdend eintönige Arbeit des Goldwäschers am Fluss. Aber auch ihn treibt die gierige Hoffnung auf den Fund des Jahres, den dicken, gelbglänzenden Nugget in seiner Hand. Dazu kommt noch, dass sich hier der Goldsucher anschließend als Goldschmied betätigt, dessen kunstreich gearbeitete Schmuckstücke ganz besonders auf lesende Frauenaugen warten. Also noch so ein Ourives das palavras ‚Goldschmied der Worte‘, wie der Titel des schicksalhaften Buches im Nachtzug nach Lissabon lautet.

Oh über euch Frauen! Zu welchen Helden- oder Schandtaten habt ihr nicht schon uns blöde, hormongesteuerte Männer angetrieben! 50_xmasDoch aufgepasst: Selbst der größte Blödmann wartet erst ergeben, dann zunehmend ungeduldig auf seine Belohnung aus zarter Hand. Oder um es mit zwei Versen des  unvergleichlichen Robert Gernhardt auszudrücken:
Ihr Frauen all habt IHN verschmäht!
Tut Buße, ehe es zu spät!

Sie, liebe unbekannte oder auch bekannte Leserinnen und Leser entscheiden also darüber, ob Orks – Otto wie der biblische Nimrod als „ein gewaltiger Jäger vor dem Herrn“ in die Menschheitsgeschichte eingehen oder ob er sich eines Tages grollend in seine mit Spirituosen reich bevorratete Jagdhütte zurückziehen und sich als tragisch gescheiterte Existenz (schnief) seinen Erinnerungen überlassen wird.
Doch noch ist die Zeit für das letzte Halali nicht gekommen. Wieder nimmt er das Jagdhorn von der Wand, hebt es zum Munde zu einem schmetternden Horrido, dass die grässlichsten Orks, tief ins Unterholz geduckt, erzittern wie Espenlaub.

Mit einem frohgemuten „Weidmannsheil“ verabschiedet sich in die Weihnachtspause

Orks – Otto

50_frohe

Ork Nr. 50: Ät se Limit

SZ Nr. 293, 20./ 21.12.14, S.15; Nr. 297, 27./ 28.12.14, S. 18; Nr. 19, 24./ 25.1.15, S.57; Nr. 25, 31.1./ 1.2.15, S. 83; Nr. 210, 12./ 13.9.15, S. 20; Nr. 216, 19./ 20.9.15, S.5 „Für Kinder“; Nr. 257, 7./ 8.11.15, S. 5, 22, 25

ork50Was wären wir ohne die alles umspannende, alle umfangende Weltsprache Englisch? Nichts als unbeholfene Stotterer wären wir, mit den knapp tausend Brocken Alltagsdeutsch, die uns noch geblieben sind von den Hunderttausenden Wörtern und Wendungen in all den Büchern in deutscher Sprache, die jetzt in den Uni-Bibliotheken ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Aus den Stadtbüchereien sind sie längst aussortiert, um Platz zu schaffen für die modernen Ausleihmedien – na ja, auch unsereins sammelt eifrig DVDs; der Name ist abgekürzt aus englisch Digital Versatile Disc. Blu Ray sollen noch besser sein, aber mein Player kann sie nicht lesen.
Bisweilen sind die deutschen Bestandteile in unserer Rede nicht viel mehr als der Leim, der die wichtigeren Wörter zusammenhält, und die kommen ganz oft aus dem Englischen, oder sie tun so als ob. Und wenn man als Württemberger alles kann außer Hochdeutsch, dann ist das schon okay; aber spätestens als EU-Kommissar muss der wackere Schwabe Englisch pauken, um nicht verlacht und über den Tisch gezogen zu werden. Und wenn man als stolzer Pole auf den Chefsessel des EU-Rats gehoben wird, schützt aller Patriotismus nicht vor dem harten Sachzwang, sich in das Idiom von John Bull und Uncle Sam hineinzubüffeln.

Etwas Neues in der Weltgeschichte ist die Dominanz einer Sprache freilich nicht. Schon die Namen der jüdischen Apostel Andreas, Petrus und Philippus waren nicht zufällig griechischer Herkunft. Und als man vor über tausend Jahren daranging, aus den deutschen Dialekten eine Schriftsprache zu basteln, hätte man ohne Mutter Latein (von der man glaubte, dass sie als einzige Sprache Europas eine Grammatik besäße) bald entmutigt aufgegeben. Vor zwei-dreihundert Jahren war es dann das Französische, das unser unbeholfenes, popeliges Deutsch in den gebildeten Ständen bald ersetzen, bald verschönern durfte.

Und jetzt wird unserem Old School German zur Abwechslung mal ein Update auf Englisch verpasst. A guata hoit’s aus, um an Schlechtn is ned schod, sagt dazu lakonisch der Bayer und weiß sich eins mit dem Briten Charles Darwin. Und noch ein klassisches Zitat aus dem Munde eines prominenten Ober-Bayern (dem es zur Zeit etwas durchs Dach regnet): „So geht’s Bisness“ – wohl wahr.
Fast unvermeidlich kommen bei dem Update unserer Muttersprache auch allerhand Mischwesen heraus, auch weil Deutsch und Englisch aus ihrer gemeinsamen germanischen Vorgeschichte noch viele Familienähnlichkeiten bewahrt haben. So what? Unter den Hunden gelten ja auch die Promenadenmischungen als die herzigsten, besonders die mit einem stehenden und einem hängenden Ohr. Da will natürlich auch die Süddeutsche nicht abseits stehen und bestreut ihre Spalten unentwegt mit Anglizismen. Dabei weiß manchmal die rechte Hand nicht, wie der linke Plural geht, oder deutsche und englische Schreibweise paaren sich zu einem Bastardhunderl. Mit einem Wort: Die SZ-people peppen englische Wörter schon fast ebenso gekonnt up oder auf wie die deutschen.
Let’s go, auf gut SZ-Bairisch „Aufi geht’s“!

Der Murderer ist immer der Grocerer:
„ein Union Market, einem High-End-Grocerer in den besserverdienervierteln von Brooklyn“
Who has donne it?
„Denn sogar das „whodunnit“ scheint nebensächlich zu sein.“
Fith for Life:
„erste Adressen wie Saks Fith Avenue in den USA“
The Quater is back!
„der alternde Star-Quaterback Tom Brady“, „einer der berühmtesten aktiven Quaterbacks“
The Goat of Tom Joad:
„Bruce Springsteens CD „The Goast of Tom Joad““
Quartett auf dem Parkett, wie nett:
„ein Vers des Dichters T.S. Eliot in der Sammlung „Four Quartetts““
Die Bösen sind die Warrior:
„Die Reintegration der Keyboard Warrior dürfte schwerer fallen“
Wer ist Star Wars Vater?
„Nichts, was die Vermarktung Star Wars betrifft, geschieht zufällig.“
Speziale für die Pauschale:
„auf der Kreuzfahrt wird es Star-Wars-Speziale geben.“
Austoben auf dem Boadway:
„Doch natürlich können sich auch Alpinskifahrer und Snowboader in der Region Villach austoben.“

Exit thru gift shop:

Wie aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen der EU-Diplomatie verlautet, wurde das folgende Lied des unnachahmlichen Robert Gernhardt zu nächtlicher Stunde (in ruhigeren Tagen) vor einer Eckkneipe in Brüssel-Berlaymont  von den Herren Günther Oettinger und Donald Tusk im Duett eingeübt.

Dem ist nichts hinzuzufügen, beteuert

Orks – Otto

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Ork Nr. 49: Diagnose Konjunktivitis

SZ Nr. 37, 14./ 15.2.15, S. 50; Nr. 43, 21./22.2.15, S.68; Nr. 49, 28.2./1.3.15, S.1; Nr. 144, 26.6.15, „SZ-Shop“ork49

Es gibt Tage, da reichen zwei Mittelfinger nicht aus, um seinen Hass auf die Widrigkeiten des Lebens auszudrücken. Reinhold Mey behauptete von sich „Es gibt Tage, da wünscht‘ ich, ich wär mein Hund“, und davor trällerten die Comedian Harmonists „Ich wollt‘, ich wär ein Huhn“. Und es gibt Dienstagabende, da flötet die schönäugige Frau Stockl von der Rosenheimer Kripo ins Telefon „Es gabert a Leich“.

Sie merken schon, es geht diesmal um den Konjunktiv. Das Deutsche besitzt zwei Sorten davon. Die von den Grammatikern als Nr. I bezeichnete Sorte wird fast nur für die Wiedergabe von Aussagen verwendet, für die man sich nicht verbürgen will:
Der Minister erklärt/ e, er wisse wie immer von nichts / er habe von nichts gewusst. Das Biotop (richtiger wäre Glossotop) des Konjunktivs I ist die formelle, meist geschriebene Sprache. Im spontanen Alltagsdiskurs gebrauchen ihn nur die Schwaben und Alemannen, und von denen haben ihn sogar die Bündner Rätoromanen in ihr exklusives Idiom übernommen

Der starke Herrscher im Reich der Möglich- und Unmöglichkeiten ist auf allen Ebenen der Sprache der Konjunktiv II:
„Wenn i, hätt‘ i, sollt‘ i sin die drei greßten Doldi“, warnen alte Nürnberger und -innen alle, die sich immer nur mit tausend Bedenken ein Stück weit und am liebsten erst nachträglich zum Handeln bemüßigt fühlen, aber sich nicht wirklich aufraffen wollen. Den Europäer freut es, dass unsere italienischen Nachbarn ein fast wortgleiches Sprichwort besitzen: vielleicht haben es einst venezianische Kaufleute aus Norimberga mit nach Hause gebracht: Se avessi, se potessi, se facessi sono tre fessi, auf deutsch ‚Hätt‘ ich, könnt‘ ich, täte ich sind drei Trottel‘, wobei in fesso das hübsche Bild von der Gesäßspalte alias Maurer-Dekolleté steckt.

Die mit allen Wassern gewaschenen SZ-Autoren bewegen sich im Allgemeinen recht graziös auf dem glatten Parkett der Modalsyntax, aber dann und wann rutscht doch einer aus, und der böse Orksjäger schaut grinsend zu und greift dann zur Flinte bzw. Schere. Ein besonderer Leckerbissen ist es für ihn, wenn gleich ihrer Fünfe plus eine Dame im Kollektiv ausrutschen, ein faux pas de six im Ballettsaal der Grammatik. Ahnen Sie was? Es ist das zu Recht so beliebte Streiflicht:

„Wenn Varoufakis damit singend herumbraust, als gebe es kein Morgen und keine Sorgen“.

Vielleicht saß ja den Sechsen das berühmte Rilke-Gedicht vom eingesperrten Panther noch im Hinterkopf:
„Ihm ist, als ob es tausend Stebe gebe“.

Zwei andere praktizieren eine feige Vermeidungstaktik: Finger weg vom Konjunktiv!

„als ob eine Sechs in Orthografie auch schon wieder ein paar Jahre jünger macht.“

„Als ob der Sommer in diesem Bild eingefangen wurde, erstrahlt die Mohnblumenwiese im Sonnenlicht.“

Wie zum Ausgleich wirft sich ein anderer Kollege in die Bresche, wo keine ist:

„wie das Volk früher bei öffentlichen Hinrichtungen sensationsgeil gaffe oder heute sogar filme“.

Wir goutieren hier die angenehm offiziös-vertrauenswürdige Anmutung dieses Konjunktivs: Was die Petrolnote beim Riesling, ist der K I beim Schreiberling.

Da muss er sich doch gleich ein Gläschen genehmigen, auch wenn es bloß Malvasia Nera aus Apulien ist.
Es hebt das Glas auf Ihr Wohl

Orks – Otto

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Ork Nr. 48: Noch nicht erträglich

SZ Nr. 293, 20./ 21.12.14, S. 41; Nr. 2, 3./ 4.1.15, S.79; Nr. 67, 21./22.3.15, S. 21; Nr. 151, 4./ 5.7.15, S.28; Nr. 210, 12./ 13.9.15, S.25; Nr. 216, 19./ 20.9.15, S. 20, 38, 79; Nr. 239, 17./ 18.10.15, S. 23, 26

ork48Es war an einem Tag wie jeder andere, im Schuljahr 1957/ 58. Unser Geschichtslehrer dozierte „… ihm ging es um nichts als die nackte Macht – äh, die nackte Magd – nein, war schon Macht.“ Der Herr Frauscher errötete jäh, oder er erbleichte, egal. Wir Burschen aber brüllten, kreischten und wieherten vor Lachen, obwohl wir den Herrn Frauscher alle mochten. Er war einer von der Handvoll Lehrer in neun Jahren Gymnasium, dem Orks – Otto ein warmes Gedenken bewahrt, fachlich und menschlich. Nicht alles war früher besser im Bildungswesen, weit gefehlt.
Dabei warf sein Verhauer ein enthüllendes Licht auf die Männerwelt: Die richtigen Kerle wollen es immer nur nackt, sei es die Macht oder die Magd.
In jenen Jahren kämpfte auch ein Nachrichtensprecher des Bayerischen Rundfunks einen verzweifelten, sekundenlangen Kampf mit „Rieselnegen“, dann „Rieselregen“, bis er im dritten Versuch zum rettenden „Nieselregen“ fand. Danach war der Mann sicher schweißnass und nervlich fix und foxi.
Noch immer ist der Himmel über Bayern voller Gefahren, für Drachenflieger wie für Hörfunksprecher: „Morgen teils betrübt oder wölk“ – so gehört am 05.11.2015 um 14.04 Uhr.

Aber das alles waren nur Versprecher und wem unterläuft nicht ab und zu ein solcher, wenn auch nicht immer so beziehungsreich erheiternd. Also verdienen alle Sich-Versprechenden mildernde Umstände oder gar Freispruch.
Anders sieht es aus mit dem Tatbestand des Sich-Verschreibens, denn nichts und niemand hindert die Schreibenden, ihr Geschreibsel aufmerksam durchzulesen, bevor sie es auf die Reise schicken; zumal wenn man nicht bloß schnell was ins Handy tippt für Elise, sondern für viele Leser.
Wenn es aber nicht soll sein, verblasen wir halt ein Dutzend erlegte und säuberlich aneinandergereihte Orks als heutige Strecke. Keiner davon ist so amüsant wie die spontanen Versprecher weiter oben, aber Kleinwild macht auch Mist. Macht nur so weiter!

1) Studium und Titel rechtmäßig erworben?
„Wer glaubhaft über Chancen und Risiken der 50+1-Regel im Lizenzfußball mitreden will, hat jedoch ohne den Erwerb eines juristischen bzw. betriebswirtschaftlichen Studiums nicht mehr viel zu melden.“

2)  In der Hitze der Nacht
„Es ist früh am Morgen, die Hitze noch nicht erträglich.“

3) Das sieht gerne man
„Im Sommer etwa kombiniert gerne er Wanderungen oder Radausflüge mit Kajaktouren.“

4) Hals über Kopf oder Jacke (kurz) über Hose (lang)
„Gleichzeitig werden immer neue Kalivorkommen erschlossen, sodass es kurz über lang auch zu Überkapazitäten kommen könnte.“

5) Gelassen außer acht gelassen
„Die Interessen der Verbraucher seien entweder völlig außer acht,  manipuliert oder falsch interpretiert worden.“

6) Wusch isch Uschis Tischtusch?
„Zwei Männer… stellen fest, dass das Tischtusch zwischen ihnen immer noch zerschnitten ist.“

7) Nach der Entdeckungen ist vor der Entdeckungen
„Doch viele der Fresken… verblassten bald nach ihrer Entdeckungen“

8) Die (oder das) Allerletzte
„Perfide ist, dass die allerletzte Schritt im Herstellungsprozess einfach und schnell vonstatten geht.“

9) Extrem ein schlüpfiger Satz
„Per Knopfdruck… wird aus dem Coupé extrem eine windschlüpfige Hülle:“

10) Der A-Klasse sein Verhalten
“ Und von seinem knackigen Kurvenverhalten büßt die A-Klasse trotzdem nichts ein.“

11) Langweiler Saftladen
„Wenn Sie als Mittelständler noch kein Übernahmeangebot bekommen haben, haben Sie einen langweilen Laden“

12) Wohnt gegenüber vom Genitivs: der Dativ
„Er liegt auf der anderen Straßenseite gegenüber seinem Sternerestaurants“

Jetzt bringt er die Orks-Kadaver zur Sondermüllannahme,

Orks – Otto

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