Archiv für den Monat: Dezember 2014

Orkie Nr. 9: Champs-Élysées, Herr Hochkeppel!

Orkie9SZ Nr. 292, 19.12.14, S.44

Zum Jahresschluss lassen wir noch einmal den Korken knallen und genießen dieses prickelnde Satzgebilde:

„Mit einer riesigen Einschaltquoten und der Auszeichnung mit der der „Romy“ als beliebtestem männlichen Seriendarsteller entsprechenden Prominenz und Fangemeinde.“

Wahrlich eine Sentenz von der sich selbst genügenden, erratischen Schönheit eines Wolpertingers! Darf auch Orks-Otto sich zu Ihrer Fangemeinde gesellen?

Was ich noch zu sagen hätte: Wenn Ihnen meine Nürnberger Neuesten Nachrichten aus Politik, Kultur, Wirtschaft und Sport gefallen haben, so unterstützen Sie bitte meine Operation VV (Virale Vendetta) und empfehlen Sie mich weiter!

Und zum Abschied von 2014 noch jener knappe Satz, halb Wunsch, halb Versprechen, den einst Jérôme Bo – (nein, nicht Boateng!) Bonaparte den Gästen seiner Lustbarkeiten im Kasseler Schloss zugerufen haben soll:

Morgen wieder lustig!

Ork Nr. 8: Whisper Words of Wisdom

SZ, Nr. 297, 27./28.12.14, S.34-36

Reiche, köstliche Belehrung erfährt die souveräne Leserin (sie darf auch männlichen Geschlechts sein), wenn sie in der letzten Wochenendausgabe das Buch des Wissens aufschlägt, wo das Nichts als reine Leere aus dem Blickwinkel der reinen Lehre verschiedener Disziplinen betrachtet wird.

Wo die Nacht zum Tage gemacht wird:

„Die Temperatur an der Oberfläche erreicht hier an warmen Mittsommernachtstagen vielleicht 30 Grad Celsius – minus, versteht sich“ (S.34).

Die Skandinavier werden vielleicht herschauen, wenn demnächst Antark-Tours Sommernachts-Tag-Traum-Reisen im Katalog stehen hat. Dürfen wir gleich für Sie einbuchen, Frau Zinkant?

Das Nichts nichtet nicht:

Werner Bartens hat sich einen alternativen Nobelpreis verdient mit einer neuartigen Studie über Pseudo-Placebos, die ohne Zweifel signifikante Resultate erwarten lässt:

„Die Erwartungshaltung und der Glaube an den Heilerfolg sind entscheidend. Beides bewirkt, dass eine Dosis vermeintliches Nichts eine Menge auslöst.“ (S.36).

Ja mei, liebe Versuchsperson: Wenn du denkst, du denkst, dann denkst du nur, du denkst!

Und jetzt schlägts XIII:

„Die alten Römer, in militärischen und baufachlichen Fragen bekanntlich überaus versiert, setzten trotz der guten Vorarbeit vorangegangener Kulturen auf ein absurd rückständiges System, das nicht nur ohne Null, sondern ganz ohne Ziffern auskam.“ (S.34)

O ja, toll trieben es die alten Römer, und manche tun’s heute noch. Im übernächsten Buch des Wissens wird Herr Illinger wohl die staunende Leserschaft dahingehend aufklären, dass die Bewohner des bayerischen Hochlandes sich vom Fleisch wilder Ziegen ernähren, die sie mit dem Lasso fangen und anschließend schlachten; nur in der Zeit der Raunächte werden die armen Tiere mit dem Gamsbart zu Tode gekitzelt.

Damit aber das Jahr MMXIV nicht gänzlich als „Jahr der Häme“ (S.45) ausklingt, soll hier einer hoffnungsvoll stimmenden Nachricht gedacht werden, die kürzlich in der, jawoll, SZ erschien: „Warschau bekommt ein Wodka-Museum. Das „Muzeum Polskiej Wódki“ soll seinen Platz in Gebäuden der früheren Brennerei Koneser finden und Besuchern die Kulturgeschichte des Nationalgetränks vorstellen.“ Wenn in Polen Schnapsdestillen in Museen umgewandelt werden, der Wodka also museumsreif ist, kann das nur Gutes für die Volksgesundheit in unserem Nachbarland bedeuten. Und solange die SZ solche Nachrichten ganz trocken auf der Titelseite präsentiert, solange ist auch in München Polen noch nicht verloren.

In diesem Sinne: Świeża woda zdrowia doda ‚ Sauberes Wasser schenkt Gesundheit‘.

Ihr Wasserprediger und Weintrinker
Orks-Otto

Ork-Ragout Nr. 7: Reste-Essen

Aus der Weihnachtsausgabe der SZ, Nr. 296, 24./25./26.12.14,

Un-en-dliche Geschichte

Die schreibenden Weihnachtsmänner und -frauen verteilen die – n am Wortende offenbar wie die Rosinen im Christstollen. Die Gesamtmenge ist schon recht gut dosiert, an der genauen Platzierung wird noch gearbeitet:

„Vielleicht, weil auf dieses Kind ein anderes, traditionsreiches Projekt Anspruch erhob, das nach dem Zweiten Weltkrieg noch einmal zu voller, auch politischen Entfaltung kommen sollte“ (S.15)

„Das abgrundtief Böse zeigt seine gute Seiten?“ (S.16)

„Wie dankbar und überrascht Medien wie Bürger der USA waren, als sie einer der ihren an grundlegenden Instinkte der Menschlichkeit erinnert hatte“ (S.16)

„Bei Otto…arbeiten mittlerweile am Stammsitz in Hamburg 2200 von 5600 Mitarbeiter in Teilzeit.“ – „Es geht stattdessen immer mehr dahin, dass sich die Unternehmen um die qualifizierten Mitarbeitern bemühen.“ (S.17)

„Im Moment gibt es eine Menge Weihnachtsgebäck, etwa den typisch französische Bûche de Noël“ (S.21)

„Bordellquittungen werde hinten auf Bierdeckel geschrieben und entsprechend griffig formuliert“ (S.27)

Schönes Wochende:

„Mit Klicken und Scrollen bis kurz vor der Sehnenscheidendzündung gibt’s ziemlich genau zwei Treffer“ (S.50)

Ver-Achter mit Steuerfrau:

„Doch selbst die Rooibos-Verachter halten seinen weltweiten Siegeszug nicht auf.“ (S.36)

Stopf den Kopf!

„Stolz zeigt er ausgestopfte Steinbockköpfe, Hirschgeweihe, Gämsenhörner.“ (S.31)

Und der leckere Nachtisch kommt heute von Holger Gertz und Alexander Gorkow, Heilige Macht. Leben ist, wenn Kakao zu Wurst gerinnt. Und Humor ist soviel mehr als Quatsch:

„Die Pointe des Talkgesprächs ist nicht der lauteste Lacher, es strandet nicht in dieser ewig wurstbudenhaften Verbindlichkeit des „Tatorts“. Die Pointe ist das Nichts.“ (S.3)

Wohl bekomm’s wünscht seinen Gästen
Orks-Otto

 

 

Ork Nr. 6: Ende einer Deutschstunde

ork6SZ Nr. 292, 19.12.14, S. 6; Nr. 293, 20./21.14, S. 46, 90

Versetzen wir uns in einen Unterrichtsraum der gymnasialen Oberstufe irgendwo in Deutschland, sagen wir eine bayerische Q11. Die Lehrkraft, Frau OStRin Amélie Spitznas-Bleichenwang (Spitzname Spitzmaus) schreibt gerade in roter Farbe einen Satz an das Whiteboard, in das Satzinnere jedoch drei Wörter in grüner Farbe. Sie kichert dabei: „Das Grüne muss in das Rote, hihi“, aber niemand reagiert auf den Scherz.

Darauf, mit etwas Schärfe in der Stimme, benennt sie das Grüne: „Dies ist eine Apposition.“ Die eine Hälfte der Klasse: Schweigen der Lämmer. Die andere Hälfte: „Hää?“ Einer hakt nach: „Wos für a App?“ Nur die Intelligenzbestie Destiny-Hope Hölldobler ist schon wieder mal voll die Lage am Checken: „Sie meinen doch Opposition, gell?“ Mit Blick auf Frau Amélies Farbenwahl trifft das eigentlich schon ins Schwarze. Aber Frau S.-B. wirft dem Thinktank der Klasse nur einen Leidensblick über den Brillenrand zu und definiert: „Apposition ist eine substantivische An- oder Einfügung im Satz, die im gleichen Kasus steht wie das Substantiv, auf das sie sich bezieht.“

Verba docent, exempla trahunt. Unsere Germanistin deutet auf den zweifarbigen, didaktisch ansprechend aus einem führenden deutschen Presseorgan entnommenen Satz:

Sie spricht für Digitalcourage aus Bielefeld, einem der Vereine, die alljährlich den Big-Brother-Award vergeben.“

Und damit die Stunde gar herumgeht, schreibt sie noch einen Satz darunter, und noch einen (Repetitio est mater studiorum):

Als die Langtunes Ende Oktober auf der kleinen Bühne der Kulturkellereieinem schmucken Kellerclub in Nürnbergstanden, boten sie dort ein Konzert, so vorbildlich zupackend und tanzbeinfördernd…“

Eigentlich müsste er also Fan der „Steelers“ sein, einem Erfolgsklub.“

„Also, ihr seht schon“, erklärt die Dozentin, „ihr müsst euch nur eine einfache Regel merken: Setze Appositionen grundsätzlich in den Dativ! (das nennt man linguistisch eine Default Regel). Und noch ein Tipp von mir: Wenn das Bezugswort schon im Dativ steht, dann macht sich nochmal Dativ nicht so doll. Ich nehme dann gern den Nominativ für die Apposition. So, dieses war’s dann für heute. “

Alles atmet tief durch, die Work-Life-Balance spielt sich wieder ein.

Unser kleiner Ausflug in die fabelhafte Welt der Amélie hat uns eines verdeutlicht: So geht Grammatik heute – dahin.

R.I.P.

Ihr pädagogisch-didaktischer Hospitant
Orks-Otto

(Die im Text verwendete Abkürzung Q11 steht für ‚Qualifikationsstufe 11‘)

Ork Nr. 5: Und täglich grüßt das Subjektiv

ork5SZ Nr. 286, 12.12.14, S. 1 Streiflicht

Tief versunken las ich die unbedingt wissenswerten Darlegungen des Streiflichts zum Liebesaus oder Liebes-Aus, als vor meinem sprachlichen Auge ein neuer Asteroid am reichbestirnten Firmament des deutschen Wortschatzes aufblinkte: DAS SUBJEKTIV:

„Nur im Sport ist das Wort „aus“ auch als Subjektiv geläufig, es beschreibt dort den Raum außerhalb der Spielfeldgrenzen.“

Nun steht das Neugeborene nicht wie das berühmtere Morgensternsche Nasobem-Kind einsam in der Savanne herum, sondern es hat mutmaßliche Eltern, nämlich das Subjektive und das Objektiv. Irgendwie doof nur, dass sich die exakte Bedeutung unseres lexikalischen Starlets trotzdem nicht erschließt. Sollte damit eine Linsenkombination gemeint sein, mit der der Fotograf das Subjektive seiner Weltsicht abbilden kann? Aber wie soll das in den fussballerischen Kontext passen, wo doch demnächst auch noch über Aus oder Nicht-Aus mit dem elektronischen Falkenauge zu entscheiden sein wird? Oder meinte am Ende die schreibende Person in ihres Herzens Unschuld das Wort Substantiv und war nur einen Moment lang unaufmerksam, als sie mit dem linken Auge auf die Schreibtastatur und mit dem rechten Auge auf ihr Smartphone schielte, um ja nicht die breaking news von ihrem Schatzi zu verpassen? In diesem Fall ist, passend zur Adventszeit, Generalpardon zu gewähren, denn Amor vincit omnia: die Liebe bezwingt alles – außer dem Liebes-Aus.

Liebesgrüße aus Nürnberg
Orks-Otto

Ork Nr. 4: Gebärfreudige Gattin

goya_ork4ork4SZ Nr. 281, 6./7.12.14, S. 31

Von Francisco Goya existiert eine berühmte Radierung mit dem Titel El sueño de la razón produce monstruos, gemeinhin übersetzt mit ‚Der Schlaf der Vernunft gebiert Ungeheuer‘. So böse Monster wie auf Goyas Bild flattern zwar nicht durch den Mozart-Artikel von Simone Boehringer, aber auch Unwissenheit kann einen putzigen Ork gebären:

„Constanze gebärt ihm in achteinhalb Jahren sechs Kinder.“

Und der Ausdruck „der damalige gleichfalls damals berühmte Hofmusiker“ ist zwar nicht ork-verdächtig, aber stilistisch, naja, weniger berühmt als der Hofmusiker Josef Haydn.

Ew. Hochwohlgeboren ganz ergebener Diener
Orks-Otto

P.S. Karl Valentins Rittersleut verhielten sich gebärflexivisch (wenn auch nicht moralisch) durchaus vorbildlich:

Und das Ritterfräulein Stasi
Des woar oiwei bloach un kasi;
Als ein Kind sie dann gebar,
schob sie’s gleich ins Ofenrahr.

Ork Nr. 3: Brillantschliff

ork3SZ Nr. 281, 6./7.12.14, S.4

Nichts gegen die geschliffene Prosa von Herrn Wernicke – aber musste er wirklich M.me Kosciusko-Morizet die harte Fron auferlegen, die Mauern von Paris mit dem Winkelschleifer abzutragen?

„Die Hauptstadt ist eine der letzten Hochburgen der Sozialisten – und NKM hätte sie beinahe geschliffen.“

Das kann dauern, auch wenn Madame erst 41 ist. Früher ging man da direkter vor: Seile um die Quader, Pferde vorgespannt und schon war die Festung geschleift. Tempi passati, heute muss händisch geschliffen werden. Aber sagt nicht schon Max Weber, Politik sei das geduldige Schleifen dicker Steine, oder so?

Ach was soll’s, gehupft wie getupft, geschleift wie geschliffen. Oder was meint dazu der Herr Sprachlabordirektor?

Es grüßt Ihr Kammerjäger,
Orks-Otto

(‚Sprachlabor‘ heißt eine wöchentliche Rubrik in der Süddeutschen, wo H. Unterstöger als SuperNanny in Fragen der sprachlichen Korrektheit verunsicherte oder protestierende Leser beschwichtigt.)

Ork Nr. 2: Wieviel wog das Roboterbein?

orks_2SZ Nr. 275, 29./30.11.14, S. 39

In der Ära Adenauer kursierte einst folgendes Witzchen: Kommt ein Mann ins Postamt und sagt zu der jungen Schalterbeamtin: „Fräulein, haben Sie ’ne Wiege, ich möchte mal was wagen.“

In die gleiche Tradition reiht sich nun Herr Hänssler ein: „Der Roboter streckte die Arme wie ein Seiltänzer aus, wog sich auf einem Bein hin und her – und brachte sich wieder ins Gleichgewicht.“ Recht so, Herr Hänssler: Balance is all you need.

Bleiben Sie mir gewogen,
Orks-Otto

Ork Nr. 1: Gleich was Spinnerts

Süddeutsche Zeitung Streiflicht Orks 1SZ Nr. 269, 22./23.11.14, S.1 Streiflicht

Während ich dabei war, mir das Streiflicht über leseunlustige Kulturschaffende genüsslich reinzuziehen, stockte plötzlich mein Blick, und es entsponn sich in meinem Inneren ein lebhafter Disput über die Stelle „vor wenigen Tagen entsponn sich ein schönes Gespräch“…

„Als Adam grub und Eva sponn,
wo war denn da der Edelmonn?“

Sorry, klingt irgendwie schräg. Vielleicht war ja nur eine der SZ-Edelfedern zu tief in eine Flasche Rotspon getaucht worden. Als Gegenmittel empfiehlt sich die aufmerksame Lektüre hochwertiger Druckerzeugnisse, z.B. von M. Modiano. Dann fällt die Beugung des deutschen Verbs ganz nebenbei mit ab.

Ihr Spin(n)doktor
Orks-Otto