Archiv für den Monat: Januar 2016

Ork Nr. 54: Der Kasus macht mir Lachen

SZ Nr. 25, 31. 1./ 1. 2. 15, S. 8; Nr. 31, 7./8. 2. 15, S. 75; Nr. 43, 21./ 22. 2. 15, S. 19, 75; Nr. 49, 28. 2./ 1. 3. 15, S. 28; Nr. 67, 21./ 22. 3. 15, S. 30; Nr. 146, 29. 6. 15, S. 24; Nr. 152, 6. 7. 15, S. 24; Nr. 169, 25./ 26. 7. 15, S. 75; Nr. 192, 22./ 23. 8. 15, S. 89

ork54Die Überschrift haben wir – standesgemäß – vom Dichterkollegen Goethe entlehnt, näherhin aus der Studierzimmer-Szene im ersten Teil von Faust I. Im Original steht zwar „Der Casus macht mich lachen“, aber viele heutige Sprachteilhaber finden diesen Akkusativ nicht wirklich straight, eher kinky.

Und auch die Mehrheit der SZ – Poeten entscheidet sich im Zweifel für den Dativ, der ohne Zweifel eine seriös-gehobene Anmutung für sich hat.
Das dachte sich wohl auch Herr Prof. Dr. Norbert Lammert, Präsident des Deutschen Bundestags. Der Orks-Jäger freut sich über eine kleine, aber feine high-end Trophäe an der Stubenwand!

„Der Deutsche Bundestag gedenkt Heinrich Windelen in respektvoller Hochachtung und Dankbarkeit.“

Natürlich will da auch die SZ gedenktechnisch nicht zurückstehen:

„Die Stadt Garching will bei einem Festgottesdienst dem jungen Mann gedenken.“

Im Vergleich zu diesem Dativ aus protokollarisch zweithöchster Hand unseres Staatswesens nehmen sich die übrigen Dative aus SZ – Hand deutlich bescheidener aus, aber ein Statement sollen sie wohl doch sein:

„Als die National Organisation For Women ihm 1974 zum „Male Chauvinist Pig of the Year“ erklärte“,

und aus derselben Feder gleich noch ein Bekenntnis zum Dativ:

„In der Politik mag ihm der Name am Ende die Posten als Friedensrichter und Gouverneur von Texas gekostet haben“.

„Die Kasachen brauchen halt neun Fahrer, wenn sie ihrem Leader Vincenzo Nibali beim Kampf ums Gelbe Trikot unterstützen wollen“.

„Mendels Erwähltheit manifestiert sich in seiner wesenseigenen Schuld, von der ihm der eigene Sohn Menachem befreit.“

„Europäern und auch einigen Brasilianern mutet das Schauspiel kurios an“.

Alte Schulmeister würde die Kasuswahl wohl auf genau die „Kokosnusspalme“ treiben, die dem Verfasser des Textes als Alleebaum in Helsinki unpassend erscheint.

Andere Dekliniermeister von der SZ erweisen sich als mutige Sprachvereinfacher. Sie stehen auf den Akkusativ, nach herkömmlicher Norm freilich auf dem falschen Fuß bzw. Fall:

„Die Menschen dankten das Werk mit Applaus.“

„Besteht der Fahrer hingegen auf die altmodische Ansage“

„Damit wollen Edeka und Tengelmann die Bedenken des Kartellamts Rechnung tragen.“

Zum Ausgleich gibt es zwei Sätze weiter einen Bonus-Dativ:

„Es geht um 451 Tengelmann- und Kaisers -Supermärkten mit rund 16000 Mitarbeitern.“

Als Dreingabe verrät Ihnen Otto einen deutschen Satz, in dem die Wörter Danzig und Nachtmütze vorkommen:
Wenn ick mit meine Emma ausjeh, tanz ick die janze Nacht mit se.

Im Übrigen wird nach der janzen Nacht auch der Tag kommen, an dem Sie, liebe Leserinnen und Leser, ihrem Orks-Otto – auf Wunsch auch: ihres Orks-Ottos – in respektvoller Hochachtung und Dankbarkeit gedenken dürfen.

Für heute aber verbeugt sich vor einem hochverehrten Publico
Orks – Otto

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Ork Nr.53: You never walk alone

SZ Nr. 7, 10./ 11. 1. 15, S. 72; Nr. 31, 7./ 8. 2. 15, S. 87; Nr. 37, 14./ 15. 2. 15, S. 16; Nr. 125, 3./ 4. 6. 15, S. 20; Nr. 151, 4./ 5. 7. 15, S. 42; Nr. 163, 18./ 19. 7. 15, S. 42; Nr. 169, 25./ 26. 7. 15, S. 25; Nr. 204, 5./ 6. 9. 15, S. 13, 31; Nr. 212, 15. 9. 15, S. 2; Nr. 216, 19./ 20. 9. 15, S. 15, Vinothek; Nr. 257, 7./ 8. 11. 15, S. 59

ork53Diese vollmundige Zusicherung verliert etwas an Überzeugungskraft, wenn man erst einmal tagelang nicht bloß allein walkt, sondern etwa im Krankenhaus liegt, ohne dass ein Besucher in Station B, Zimmer 317 auftaucht.
Aber in der Sprache, da kann man sich ziemlich darauf verlassen: Ein Substantiv hat meistens auch eine Pluralform. Nur wie die dann aussehen soll, das machen die SZ – Autoren mit ihrem eigenen Gewissen bzw. ihrem Herrgott direkt aus, zumal die Grammatik des Deutschen eine geradezu verwirrende Anzahl von Pluralbildungen zur Wahl stellt. Obendrein hat der SZ – Mann oder die SZ – Dame von Welt ja zwischendurch auch mal einen Abstecher ins fremdsprachige Ausland zu bewältigen.

So let them shoot it out:

„auf dem schwarzen Asphaltband ein Kumpane auf einsamem Weg“

„Dittrich hatte kein Holz. Aber Ziegeln und Ananas.“

„Sollen die Bälge doch Bayern-Fans bleiben“

„Erwachsene Männern hüpften plötzlich jauchzend herum wie Teenager.“

„Daher gibt es keine öffentlich ausgetragenen Streits zwischen Aktionären und Management“

„Die Bergen draußen sind in dichte graue Wolken gehüllt.“

„bisher waren die vielen Tausenden, die Zehntausenden, die kamen, immer durchgereist“

„Rentner 6000 und Kindern 2000 Ost-Mark.“

„In den Vorspännen der Filme“.

Und jetzt geht es zum Italienischen und zum Französischen nach dem bewährten Motto „Durch Einfalt zur Vielfalt“!

„Ein Museum für zeitgenössische Kunst hat ein Graffiti von ihrem Gesicht an der Wand.“
Zum Problem der italienischen Pluralbildung dürfen wir hier folgenden nützlichen Merksatz beisteuern:
Der Mafiosi schleckt ein Gelati und sprüht für den Paparazzi ein Graffiti.
Darauf einen Ladde Matschiado!

Und zuguterletzt zum Plural von französisch château, das eigentlich ‚Schloss‘ oder ‚Burg‘ bedeutet, dem Weinliebhaber jedoch unermessliche Sinnenlust.
Nur der Pedant behauptet, der stumme Endbuchstabe –x sei ein Pluralzeichen. Der wahre Connaisseur, z. B. der Herr Max Scharnigg, verwendet es als Qualitätsabzeichen: Ein einfacher „Chateaux“ taugt immerhin fürs Abendbrot, die „Châteaus“ (mit Zirkumflex, chapeau!) sagt der Sommelier seinen illustren Gästen bei einem opulenten Dîner an.

Mit diesem starken Abgang (auf der Zunge und auch sonst) verabschiedet sich
mit vielfache Grüßer

Orks – Otto

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Ork Nr. 52: Lug und Trug

SZ Nr. 287, 12./13.12.15, S.35

ork52Wie schön, dass der Saisonabschluss des Süddeutsche Zeitung Business Golf Cup presented by Audi 2015 in Belek an der Türkischen Riviera bei garantiert bester Stimmung und Urlaubsatmosphäre unter den etwa 70 Teilnehmern stattfinden konnte!
Und alles das wissen wir nur dank einer ganzseitigen, weiß auf schwarzem Grund gedruckten Mitteilung der SZ an ihr andächtiges Leservolk.
Aber hätte einer behaupten wollen, diese denkwürdigen fünf Tage seien zur Gänze unter türkisblauem Himmel und der gesellschaftlichen Bedeutung des Events angemessenem spätherbstlichem Sonnenschein verstrichen, der lügte sich in die eigene Tasche:

„Der Schein des guten Wetters am Vormittag trügte leider und nach neun gespielten Löchern war an Golfsport nicht mehr zu denken.“

Wie gut fügte es sich da, dass „die sehr gute Stimmung unter den Gästen trotz Turnierabbruch erhalten blieb und Pläne abseits des Golfsports“ – Fantasie, halt ein! – „kurzerhand geschmiedet wurden.“
Als Elite-Gäste genügten sie schlechterdings sich selbst.  Einige Unausgeschlafene zogen sich freilich zurück und pflügten der Ruhe.
Ach, Sie meinen, es müsste heißen „pflogen der Ruhe“?  Na gut, wenn Sie meinen – aber dann wollen wir doch die ganze Geschichte nochmal von vorn aufrollen:
lügte wird log, trügte zu trog, pflügten zu pflogen; nur fügte und genügten können (in der SZ allemal), aber müssen nicht zwingend in fog, genogen umgeändert werden. Akzeptiert?
Nun, so ist „Golf-Spaß vorprogrammiert und der Wind kann bestens bezwungen werden“.

Wenn sie damit nur nicht den Windgott Aiolos herausgefordert haben, sonst bläst der ihnen noch gehörig den Marsch.

Wahrlich, wenn es die SZ nicht schon gäbe, man müsste sie erfinden, frohlockt der schwerbeladene Jägersmann
Orks-Otto

PS:  Hätten die Süddeutsche und die Lyrikerin Julie Schrader (1882-1938) gleichzeitig existiert, so hätten die beiden instinktsicher zueinander gefunden:

Als die ersten Knospen sprossen,
Dämmerte der Ostertag,
Ach, ich habe es genossen,
Daß man Frühlingsmilde pflag.

Ork Nr. 51: Streckenrekord

SZ Nr. 287, 12./13.15, S.44

ork51Dass die beiden Mercedes-Piloten Nico Rosberg und Lewis Hamilton sich mittlerweile so lieb haben wie Hund und Katz, ist weithin bekannt. Umso dankbarer ist der am Rennsport oder an der männlichen Psyche interessierte Leser für eine Zitatensammlung in der Hasskappen-Story Nico vs. Lewis.
Zwei SZ-Sportredakteure haben sie zusammengetragen und mit kurzen Kommentaren versehen. Da kann doch sprachlich nichts schiefgehen, denkt unsereins. Denkste:  Gleich achtmal staubt es im Schotterbett, fliegen Strohballen durch die Luft!
Das kommt wohl vom Speed-Writing, bei dem sich die Herren Hofmann und Neudecker ein heißes Duell mit qualmenden Keyboards geliefert haben.
Und ab geht die Post:

„Rosberg, der seinen Vertrag 2015 um mehrerer Jahre verlängerte“ – quiietsch!

„Dass mit Lewis wird sehr gut funktionieren.“ – jauul!

„Zum Start der Saison 2014 tritt dann ein neues Reglement in kraft.“ – vroom!

„Zwei Tage nach dem Rennen sitzt er bereits für Testfahrten wirder im Auto.“ – roarrr!

„Was den Triumph eine besondere Süße verleiht:“ – quallmm!

“ Als Hamilton ihm vor der Siegerehrung eine Schildkappen zuwirft“ – kreischsch!

“ Wenn es für das Team nachteilig ist, würde das bedeuten, dass wir unseren langfristiges Plan in der Fahrerfrage nicht beibehalten werden.“ – rrrumpel!

„Hamiltons Konter lässt sich lange auf sich warten.“ -schepper!

Und was meint beim Abwinken der gute alte Werner dazu?
“ Volles Röääh!“ – „Gekotzt wird später!“
Hallo SZ:  Von Werner lernen heißt schreiben lernen!

Zwei Seiten weiter verpasst die SZ der Neuen Zürcher Zeitung eine kurze Abreibung in Sachen Stilistik und Kleinschreibung:

“ Dass „Bäume nicht in den Himmel wachsen“ und ähnliches liest man in ihrer Zeitung auffallend oft.  Anderswo werden solche Stilblüten konsequenter redigiert.“

C’est Gros-Jean qui en remontre a son curé, würde dazu der Welschschweizer sagen – ‚Hans Wurst erteilt seinem Pfarrer Belehrungen‘.

Dass auch bei der SZ längst nicht alle Bäumchen in den Himmel wachsen und das Blatt stattdessen „konsequenter redigiert“ gehört, davon versucht er seine Leser in geduldiger Kleinarbeit zu überzeugen

Orks-Otto