Archiv für den Monat: August 2015

Ork Nr. 36: Flotter Dreher

Quelle: Der Haubentaucher - Vogel des Jahres 2001 - by Timmann, Hermann in: De Latücht, (page(s) 6 - 6), Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg

Quelle: Der Haubentaucher – Vogel des Jahres 2001 –
by Timmann, Hermann
in: De Latücht, (page(s) 6 – 6), Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg

SZ Nr. 13, 17./ 18.1.15, S. 79; Nr. 25, 31.1./ 1.2.15, S. 78; Nr. 146, 29.6.15, S. 26

Jedesmal, wenn die Uni – Mensa in Würzburg „Rostbratwurst“ auf dem Speiseplan stehen hatte, verdrechselte mein Kollege das Wort zu „Rotzbartwurz“. Sogleich verging mir der Appetit auf die Wurst und ich griff gottergeben zum Teller mit dem Serbischen Reisfleisch.

Auch einige SZ – Werktätige versuchen sich gelegentlich in der Kunst der Metathese, aber sie stehen dabei erkennbar noch am Anfang. Leidlich gelungen ist die Schreibweise „Martkoberdorf“, unterhält doch die Firma AL-KO Alois Kober GmbH eine Vertretung in Marktoberdorf/ Allgäu: Wes‘ Brot ich ess, des‘ Lied ich sing.
„Mulitmedia“ und „Gesichert“ für Gesichter wirken dagegen wie tastende Versuche. Aber was nicht ist, kann ja noch werden.

Der große Bruder, der wahre Genius des Buchstabendrehens ist der Schüttelreim, wie ihn zum Beispiel der brave Soldat Schwejk alias Heinz Rühmann den drei k.k. Militär – Irrenärzten darbietet:

„Im Ballsaal schweben die Beine,
im Schlachthaus beben die Schweine.“

Ob sich die Kleinmeister von der Isar jemals in solche Höhen der Poesie aufschwingen werden? Der Weg dorthin wird lang und mühsam sein, auch für die Leser, befürchtet

Orks – Otto

Die Macht der Sterne

Ein taubenblauer Taubenhaucher
Frug unlängst einen Haubentaucher:
Tauchst du mit der Haube? Sprich!
Ach, haubentauchen wollte ich
Schon immer ja so gern, so gerne –
Doch stand es nicht in meinem Sterne.
Statt fröhlich – frischem Hauben – Tauchen
Heißt mich mein Los nur „Tauben“ hauchen.

 

Ork Nr. 35: Som Tam Gai Tord

ork35SZ Nr. 297(2014), S. 24; Nr. 95, 25./ 26.4.15, S. 16, 79; Nr. 133, 13./ 14.6.15, S.76; Nr. 139, 20./21.6.15, S. 8, 42; Nr. 146, 29.6.15, S. 38; Nr. 151, 4./5.7.15, S. 53, 78; Nr. 152, 6.7.15, S. 18; Nr. 169, 25./ 26.7.15, S. 48

Diese vier knappen Wörter standen kürzlich auf einer schwarzen Tafel in einem empfehlenswerten Thai-Restaurant in Nürnberg – St. Johannis. Darunter die Version für die Langnasen: Grüne Papaya – Salat, gebratenen Hühnerfleisch, Sticky Rice. So wacker schlägt sich die stets lächelnde Wirtin durch den Dschungel der deutschen Adjektiv-Deklination. Auch viele Sprachschaffende der SZ versuchen es ihr nachzutun, aber sie schlagen eher um sich, wie Schiffbrüchige auf hoher See. Dortselbst, vor Gericht und bei der Grammatik des Deutschen wissen sie sich alle in Gottes Hand.

Bei leichtem Wellengang fängt es ganz dezent an mit dem Beinchen – wechsel – dich – Spiel von  -n und -m. Der Unterschied ist ja minimal, quasi zu vernachlässigen:

„Eine DS besitzen stiftet Teilhabe am göttlichem Sein.“

„Er sitzt einem gegenüber mit gebügeltem hellblauen Hemd,“

„diesem spätkapitalistischem Credo kann sich heute kaum noch jemand entziehen.“

„Die Amerikaner wiederum könnte Pernod Ricard mit original kubanischen Rum beliefern.“

A propos Beinchen von n und m: Hier könnte eine alte Spruchweisheit unseren Schiffbrüchigen als rettende Planke dienen:
Der Pfärd, der Pfärd, der hat 4 Beinerl.
Fählt 1, dann wakelt.
Fählt 2, dan umfalt.

In rauheren Gewässern jedoch hilft kein Beinchenzählen mehr, da müssen unsere Schwimmer schon zum Freistil übergehen:

„Das Haus muss einen hauptamtlicher Leiter bieten.“

„Die Urteilsverkündungen sind, über ihren eigentlich Sinn und Zweck hinaus, ein pfeifendes Ventil geworden“ (hier kämpfte ein angesehenes Mitglied der Chefredaktion mit der kabbeligen See der Deklination).

„ein Problem … für das gesamten Finanzsystem.“

„Der große Gewinner beim Förderpreis „Neues deutscher Kino“ des Filmfests München“

„Das ist einerseits gut für die Fondsgesellschaft und andererseits gute für die Hausbank selbst.“

Doppelt genäht hält besser, dachte hingegen die Kollegin Bigalke:
„Vergangengenen Sommer war bereits über seinen Rücktritt spekuliert worden.“
Starke Beugung, nennen das die Schulmeister – so gehen Nägel mit Köpfen!

Noch smarter ist es freilich, das leidige Problem mit den Endungen einfach zu umdribbeln:
„Ist das nicht schnullibulli?“

Jaa, hier haben wir das perfekte Eigenschaftswort für gehetzte Journalisten! Wir empfehlen darum die intensivierte Verwendung auch von pillepalle, schickimicki, leckerschlecker, ballaballa, etepetete und wischiwaschi. Allein mit diesen sieben Samurai lassen sich weite Bereiche des politisch- gesellschaftlichen Lebens völlig endungsfrei abdecken. Bingo!

So meistern wir mit vielen kleinen Entwicklungsschritten Deutschlands Zukunft, freut sich
Orks – Otto

Ork Nr. 34: Osanna-Bischof mit Schulterblatt vom Angnus-Rind

ork34SZ Nr. 169, 25./26.7.15, S.21, 39, 72

O weh dir, du wunderschönes Bamberg, Herz des Frankenlandes, das du mit deinen sieben Hügeln als zweites Rom galtest, das du mit deinem Welterbe-Siegel alljährlich Legionen von Touristen in deine engen Gassen lockst – was ist aus dir geworden! Nicht genug damit, dass die romanische Klosterkirche den Michelsberg hinunterzurutschen  droht, jetzt hat man dir laut SZ auch noch den Bischofssitz weggenommen:

„In der ehemaligen Bischofsstadt mit ihren Kirchen und Klöster“.

Wenigstens haben in ihren „barocken Palästen die mittelalterlichen Strukturen fast unversehrt überdauert.“

Aber wie konnte es zu diesem brutalen Absturz vom Rang einer Bischofsstadt kommen, und das nach über 1000 Jahren als Erzbistum, gegründet von Kaiser Heinrich II. persönlich? Hat etwa Ex-Erzbischof Dr. Ludwig Schick seine Vierzimmerwohnung mit Seidentapeten und Statuetten von Niki de St-Phalle verschönern lassen? Trägt er beim Morgen-Jogging handgefertigte purpurrote Laufschuhe aus bolivianischem Faultierleder? Hat er seine Privatkapelle aus dem Schattenhaushalt des Erzbischöflichen Stuhls rundum mit goldgerahmten Spiegeln ausstatten lassen, hat ihn jüngst ein Investigationsteam der SZ, gestützt auf einen Maulwurf im Sankt-Heinrichs-Blatt, beim Papst verpfiffen, der ja gegen Protzbischöfe hart durchgreift? O nein, nichts dergleichen ist geschehen: Der Erzbischof hat sich angemaßt, am geheiligten Kanon der katholischen Messe herumzufummeln. Er hat vom feierlichen Lobgesang des Sanctus das Hosanna in excelsis ‚Hosanna in der Höhe‘ abgespalten und frech in „Osanna“ umbenannt; und er hat dann gar noch die Formel Benedictus qui venit in nomine Domini ‚Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herren‘ zusammengestrichen und verballhornt zu „Benedictus in excelsis“. Auch im letzten Stück jeder komponierten Messe, dem Agnus Dei, hat der liturgieschänderische Bischof, wohl für seinen bevorstehenden festlichen Abschiedsgottesdienst, die letzten drei Worte Dona nobis pacem ‚Gib uns Deinen Frieden‘ zum eigenen Teil erhoben.

Das ging einfach zu weit. Der Schöpfer der im Zeitungstext angeführten h-moll-Messe, der große J.S. Bach, hielt sich in excelsis angewidert die Hände vors Gesicht und ätzte in bestem Leipziger Sächsisch: “ Ihr seid mr ja scheene Gadoliggn!“ (Nachdem ihm ein bildhübscher Hostess-Engel einen Trunk vierzigprozentigen Ambrosias verabreicht hatte, fand er rasch zu seiner himmlischen Ruhe zurück). Da sich der Thomaskantor, von evangelischen Pfarrern in Weinlaune gern als fünfter Evangelist tituliert, dennoch bitter an höchster Stelle beklagte, hatte der Vorfall für den frevlerischen Gottesmann böse Konsequenzen: Er verlor seinen Posten nebst Anrede als Exzellenz, seine altehrwürdige Bischofsstadt wurde degradiert zum einfachen Dekanat im neuen Bistum Strullendorf, und mit dem langersehnten Großen Bundesverdienstkreuz mit „Stern und Schulterblatt“, also rückseitig zu tragen, war es auch Essig.

Übrigens, woran denkt der Franke bei dem Wort Schulterblatt? Na klar, an ein saftig-zartes, knusperschwartiges, duftendes Schäuferla oder Schaiferler, umrahmt von Klößen und Bierkrug. Jetzt kriegt er kein Abschiedswort mehr heraus vor lauter zusammengelaufenem Wasser im Mund,

dieser erzlüsterne
Orks-Otto

Schwedische Rhapsodie

sz_ikeaLeichte Klänge zum Nürnberger Baddndreffm

Was tut eine biedere Durchschnittsfamilie an einem verregneten Ferientag, um ihrer Selbstzerfleischung zu entgehen? Sie kann sich zum Beispiel ins Auto quetschen und das urgemütliche kleine Gasthaus zum blaugelben Elch ansteuern. Dort darf sich jeder erstmal eine altersgemäße Portion Köttelbullar einwerfen, bevor sie alle zu einem Rundgang durch die Möbeletage aufbrechen. Natürlich braucht man keine neuen Möbel, aber umschauen kann man sich ja und die Zeit vergeht auch darüber.

Man schlendert vorbei an den Zweiersofas KNOPPARP und KLIPPAN, über denen das leicht psychedelische Bild PJÄTTERYD hängt, schaut kurz auf das Bettsofa LUGNVIK, streicht mit der Hand über den Polstersessel EKTORP mit dem Bezug MOBACKA, wirft einen Blick auf die Drehstühle SKRUVSTA und SUILLE, geht vorbei am Bettgestell TRYSIL – oder war es LEIRVIK?

Die junge Fernsehansagerin Evelyn Hamann, der Namen wie Thistlethwaite oder so ganz flüssig von der Zunge gingen, hätte freilich kein Problem gehabt mit der Aussprache von VITTFJÄRTL, SKRUVSTA oder JÄMNT, aber Otto Normalverbraucher muss da schon seine Sprachmotorik bis zur Nenndrehzahl hochfahren. Aber irgendwann macht es dann KLICK in seinem Kopf, und er sieht sich samt einer tiefenentspannten Familie in einem roten Volvo Kombi an einem dieser endlosen Sommerabende über einsame Landstraßen durch Småland oder Värmland gleiten, und irgendwo hinter den Wäldern wartet am Seeufer ein kleines falunrotes Holzhaus auf sie, in dem man nie endende, sonnenüberströmte, unendlich friedvolle Sommerferien verbringt – ach wäre det nich wunderscheen!

Aber in einer neuen Bettwäsche lässt es sich auch herrlich träumen vom Urlaub bis zum Abwinken; die Frauen des Hauses dürfen in der Markthalle wählen zwischen FÄRGLAV, ÖDESTRAD, DVALA, SÖTBLOMSTER, SÅNGFÅGEL, TOFSVIVA, PIMPLA, STENKLÖVER, LINBLOMMA, ÄNSKÄRA, KRÅKRIS und KUSTRUTA. Nur der Herr Sohn besteht auf BERRANGEL, wegen dem aufgedruckten Skelett: „Voll kuhl, ey“.

Das Kinderzimmer wird weiter aufgerüstet mit einer Gymnastikmatte PLUFTIG, zwei Leselampen UPPBO und KLABB und dem Bauchschläferkissen GOSASLÅN für spottbillige Zwoneunundneunzig. Für das Bad gibt es Gästehandtücher NÄCKTEN, schlappe 29 Cent das Stück, und einen Flechtkorb KNARRA, oder vielleicht doch RIFFLA? Für das Küchen-Upgrade fehlen noch blaugeblümelte Tassen JÄMNT, eine Servierschüssel SKÄCK, ein Schneidebrett PROPPMÄTT und die Abfalltonne KNODD. Und nicht zu vergessen: Ein paar Vanilleduftkerzen SINNLIG.

Hinter der Kasse belohnt sich unsere leicht abgeschlaffte Familie für das mittsommerabendlange Anstehen mit Hotdogs und einem Becher Cola. Während dann alle noch an einem Softeis schlecken, träumt Papa sich in den schwedischen Winter, wo fröhliche Menschen knæk naschen und dazu glögg trinken, der aber nur glögglich macht mit Alk drin. Skål, alter Schwede!

Und dann geht es mit dem Einkaufswagen hinaus auf den Parkplatz, Auto suchen gehen. Tief am Himmel zeigt sich die Abendsonne hinter den abziehenden Regenwolken.

Hinweis: Alle hier angeführten Produktnamen wurden nach sorgfältiger Prüfung aus dem Katalog 2014/15 eines schwedischen Möbelhauses ausgewählt. Eine Gewähr für richtige Wiedergabe bzw. Lieferbarkeit der betreffenden Artikel kann jedoch nicht übernommen werden.