Archiv für den Monat: Januar 2015

Ork Nr. 14: Man spricht deutsh

ork14_2Ork14_1SZ Nr. 13, 17./18.1.15, S. 27, 29; S. 24

In den Zeiten der Finanzkrise (ach lägen sie doch hinter uns) tat einmal der Unions-Fraktionschef Volker Kauder den markigen Ausspruch: „Jetzt wird in Europa Deutsch gesprochen“. Es ging ihm dabei wohl weniger um nationales Protzbürgertum als darum, den Wählerinnundwählern die milliardenschweren Bürgschaften und Kredithilfen schmackhaft zu machen, mit denen die Bundesrepublik diversen EU-Partnerländern aus dem Schlamassel ihrer Schuldenwirtschaft zu helfen unternahm.

Herrn Kauders Machtwort ist bei den Schuldenländern nicht ohne Wirkung geblieben, wie man der noch jungen Äußerung des griechischen Ex-Finanzministers Gikas Hardouvelis entnehmen kann: „Wir bewegen uns auf einer schmalen Grad.“

Gewiss ist der Satz noch nicht in allen Einzelheiten perfekt, aber gefestigte Kenntnisse der deutschen Sprache dürfen wir Herrn Hardouvelis allemal bescheinigen. Oder hat vielleicht Christiane Schlötzer dem Minister bei der Formulierung geholfen? Das wäre zu rügen, denn Einsagen gilt nicht.

Weiterhin konstatieren wir mit leiser Genugtuung, dass die weltweite anglophone Sprachgemeinschaft nach Weltschmerz, Kindergarten, Oktoberfest und dergleichen nunmehr auch „Superzyklen“ in ihr Repertoire aufgenommen hat:

“ Ökonomen nennen diese Schwankungen auf Rohstoffmärkten „Superzcycles“ (engl. „Superzyklen“). Unser Autor Jan Willmroth bevorzugt freilich die reizvoll zischelnde Vokabel Superzcycles, aus welcher Sprache immer sie entlehnt sein mag. Oder imitiert er nur die Aussprache des ringversessenen Gnoms Golum im ‚Herrn der Ringe‘? Dann lässt sich allerdings nicht ausschließen, dass ein Ork in der Nähe lauert.

Mit vorsichtigem Optimismus
Orks-Otto

Und die Zugabe serviert uns N. Piper in seinem Samstagsessay mit dem doppelsinnigen Titel „Globalisierung wirkt“, denn dort steuert er noch vier effektvolle Formulierungen bei:

„epochale Ereignisse, dessen ganze Dimension erst allmählich klar wird.“

„ein Weg, alles sozialverträglicher zu machen, besteht darin, die Zurückgeblieben der Globalisierung aus den Gewinnen der Sieger zu helfen.“

„Ökonom Borchardt glaubt, dass das Deutsche Reich in einen leichten „Protektionismus“ praktiziert habe.“

„Damals bekamen die USA ein öffentliches Schulsystem, das über Jahrzehnte hinweg das beste Welt war.“

Nun ja, über die beste aller möglichen Welten hat sich schon Voltaire in seinem Candide mokiert, aber vielleicht schafft die Globalisierung wenigstens „das beste Welt“. Nur frisch gewagt, Herr Piper!

Ork Nr. 12 und 13: Sein oder nicht sein? – Münchner Ekelgebäck

Ork Nr. 12: SZ Nr. 292, 19.12.14, S. 20; Nr. 293, 20./21.12.14, S. 74
Ork Nr. 13: SZ Nr. 7, 10./11.1.15, S. 73

Als einst meine Familie und ich aus der fränkischen Heimat in eine zauberhafte Kleinstadt in der nordoberbayerischen Grenzmark zuwanderten, fühlte ich mich gleich nach dem Erwerb des Bürgerrechts im himbeerroten Rathaus dazu angehalten, soweit wie möglich im privaten Umgang und selbst zuhause Bayerisch zu sprechen. Nur so konnte ich meinen aufrichtigen Integrationswillen unter Beweis stellen. „Ihch bin der Oddo, un dou bin i derhamm“ – ein absolutes No Go in der Altherren-Faustballriege, und nicht nur dort. Also spitzte ich die Ohren und sog in mich Sätze hinein wie den der Metzgerin: „D‘ Fraa hot sei Toschn steh lossn“, auf Piefkenesisch etwa: ‚Ihre Gattin hat ihre/seine Tasche stehengelassen‘.

Gott ist ja mit dir, du Land der Bayern, und hat letztere in seiner Güte mit dem Instinkt begabt, aus den Umständen der Rede das mit sei gemeinte Wesen herauszukennen. Reduktion von Komplexität ist schließlich ein unverzichtbares Instrument der Daseinsbewältigung, und so ist es nur recht und billig, wenn auch der Journalist davon Gebrauch macht:

„Wegen der Ukraine-Krise und der Sanktionen der EU hat die GM-Tochter Opel bereits im September seine Produktion vor Ort zurückgefahren.“

Womöglich hat sich Thomas Fromm auch von seinem eigenen Artikel zu einer Sprach-Sparmaßnahme anregen lassen. Dazu würde auch seine Überschrift passen: „So geht’s“ – dem ist nichts hinzuzufügen.

Aner gehd no, aner gehd no nei:

„Ohne seinen Menschen hängt die Marionette lediglich leblos am Faden.“

Und wenn es außer der SZ-Syntax noch eines Beweises bedurfte, dass die Stimme Frankens in München nicht nur stets überhört, sondern sogar noch verhöhnt und verhunzt wird, dann ist er erbracht mit dem widerlichen kleinen Ork Nr. 13, zu dem der Skribifax PRZ die zweitheiligste Nürnberger Institution verballhornt hat:

Lebkohen ist der örtliche Terminus technicus, wie er in Sichtweite des Christkinds über den Nürnberger Budentisch geht.“

Ihr Franken, hört alle weg, denn Tannbach (ZDF) ist überall! Außerdem geht auf dem Christkindlesmarkt so mancher Lebbkoung über die Theke, aber bis jetzt noch kein Terminus technicus. So leistet man nur separatistischen Bestrebungen im Norden des Freistaats Vorschub.

Ich vermute ja, sowas kann nur ein Wahlmünchner verbrochen haben, einer von Bayerns sechstem Volksstamm, der ebensogut Boarisch kann wie die Maori, dafür aber ein fesches Trachtengwand für die Wiesn im Schrank hängen hat. Zefixhalleluja!

In ehrlicher Entrüstung grüßt
seiner Mutter sein Kind
Orks-Otto

Ork Nr. 11: Letzter Gang

ork11SZ Nr. 1, 2.1.15, S.32

Bei einem Begräbnis IV. Klasse, so witzelte man früher, müsse der Verstorbene seinen Sarg selber zum Grab tragen. Heute können die noch Lebenden gegen mäßiges Entgelt eine Sargtransportservice-Versicherung abschließen, die ihre dereinstigen Hinterbliebenen vor dem finanziellen Ruin bewahrt und es den Verblichenen selbst ermöglicht, unbeschwert und würdevoll zu ihrer letzten Ruhestätte zu schreiten, vielleicht zu den Klängen von Vamos a la Playa:

„Doch wer seinen letzten Gang in Würde gehen will, weiß, wie wichtig eine Trauerfallvorsorge und eine Bestattungskostenversicherung sind. – Und wer denkt schon daran, dass ein würdiges Begräbnis die Hinterbliebenen in finanzielle Not bringen könnte?“

Angesichts der zweifellos hier vorliegenden ernsten Thematik verbietet sich jeglicher scherzhafter Umgang mit derselben. Der guten Ordnung halber sei jedoch darauf hingewiesen, dass allem Anschein nach die hier zitierten Sätze samt ihrer so einfühlsam formulierten Umrahmung nicht von der SZ, sondern vom Bestatterverband Bayern e.V. generiert worden sind. Sie mögen ruhen in Frieden.

In stillem Bedenken
Orks-Otto

Ork Nr. 10: Hängepartie

ork10SZ Nr. 1, 2.1.15, S.11

In der Frühzeit der Bundesrepublik liebten die Menschen einen ziemlich schnulzigen Schlager, der mit den Worten begann „Es hängt ein Pferdehalfter an der Wand“. Wir Buben machten daraus zum Spott „Es hängt ein Pferd zur Hälfte an der Wand“ und lachten dabei. Wir ahnten nicht, dass es eines Tages noch dicker kommen würde:

„Gleichzeitig denkt man unwillkürlich an die Erläuterungen zum Pferdemaler George Stubbs, der die Objekte, die er malte, gehäutet an einem großen Fleischerhaken an die Decke hing, um sie in Ruhe zu studieren.“

Was für ein Anblick! Da liegt ein totes Pferd am Boden, das sich soeben noch rasch gehäutet hat. Davor steht ein Mann, zu dem Arnold Schwarzenegger und Bud Spencer aufblicken würden wie kleine Schulbuben zum Dorfschmied. Der Hüne steckt einen XXL-Fleischerhaken durch den Pferdehals und hangt den mächtigen Kadaver wie einen Kronleuchter an der ächzenden Decke seines Ateliers. Dann lässt er sich auf einem gleichfalls ächzenden Stuhl nieder, um in Ruhe das Objekt seiner malerischen Begierde zu studieren.

Sie meinen, das sei ja wirklich ganz malerisch, aber es müsse heißen hängt, nicht hangt, und an die Decke, statt an der Decke? Und vielleicht hieße die Vergangenheitsform auch er hingte, oder er hängte, so was in der Art? Kann schon sein, aber wie schon Goethe warnte: „Wenn ihr’s nicht fühlt, ihr werdet’s nicht erjagen.“

Und so beginnt denn das neue Jahr standesgemäß mit Goethe und einem Hangover.

Ihr allzeit anhänglicher
Orks-Otto