Archiv für den Monat: Oktober 2015

Ork Nr. 44: Schamröte, in Wolfsburg und sonstwo

SZ Nr. 239, 17./18.10.15, S. 4,5

Ork44Lob und Dank sei dem „Aktuellen Lexikon“ der SZ dargebracht, weil es seine wissbegierigen Leser mit einer wunderhübschen Neuschöpfung beglückt hat, der „Schamesröte“. Ach ja: Die Scham, Genitiv der Schames, dazu die Schamesröte, wirklich sehr apart.

Zugegeben: Einem germanistischen Stammesfürsten, der immerfort mit dem Duden unter dem Arm herumläuft, kann das Neuwort schon mal die Zornesröte ins Gesicht treiben. Was aber auf keinen Fall soweit gehen darf, dass er Herrn oder Frau KBB Schlafes Bruder an den Hals wünscht. Nein, leben und leben lassen! Für den Franken und die Fränkin würde ohnehin das Schames– am schönsten auf Zwetschgerbames reimen. Das ist ein fein aufgeschnittener, luftgetrockneter Rinderschinken, der in seinen edelsten Erscheinungsformen so lustvoll auf der Zunge zergeht, dass selbst Bündnerfleisch und Bresaola nicht gegen ihn ankommen. (Hoffentlich fallen jetzt nicht die genussgierigen Horden der Münchner Urban Gentry über unser schönes Frankenland her, mit den Lifestyle-Gastro-Scouts der SZ an der Spitze.)

Eine Seite weiter plant ein Professor aus Stuttgart zwar keine Steuererklärung auf dem Bierdeckel, aber eine Attacke auf den Dativ. Nachdem dieser ohnehin schon den Genitiv um die Ecke gebracht haben soll, wäre dies also die nächste Stufe der Aktion „Kasus raus aus Dödelsted“: „Wir brauchen, etwas überpointiert auf den Punkt gebracht, mehr Daten-Kompetenz und weniger Dativ-Kompetenz.“ Möge dieser Satz Herrn/Frau KBB Ansporn sein für das nächste Aktuelle Lexikon!

Und weil man von zwei kleinen Orks nicht richtig satt wird, macht er sich jetzt auf die Suche nach einem Zwetschgerbames,

Orks-Otto

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Ork Nr. 43: Kleines Lexikon merkwürdiger Dinge

SZ Nr. 133, 13./ 14.6.15, S. 32; Nr. 25, 31. 1./ 1.2.15, S. 46, 79; Nr. 31, 7./ 8.2.15, S. 52, 86; N. 37, 14./ 15.2.15, „Für Kinder“; Nr. 43, 21./ 22.2.15, S. 17; Nr. 19, 24./ 25.1.15, S. 18, 83; Nr. 297, 27./ 28.12.14, S. 10, Nr. 125, 3./ 4.6.15, S. 38; Nr. 117, 23. – 25.5.15, S. 10; Nr. 163, 18./ 19.7.15, S. 58

ork43Wer die Süddeutsche liest, fühlt sich immer wieder wie auf einen fernen Planeten versetzt. Nie gesehene Wesen, nie gehörte Wörter begegnen ihm und ihr da und erfüllen sie beide mit Staunen. Damit Sie sich in diesem galaktischen Zauberreich ein wenig besser zurechtfinden, haben wir ein kleines Lexikon von SZ – Begriffen mit allgemein verständlichen Wort – und Sacherklärungen für Sie zusammengestellt. Es müsste eigentlich viel, viel umfangreicher sein – aber alles zu seiner Zeit.

Bienenhaufen, der – Folge eines spontanen Wohnungstausches zwischen Bienen – und Ameisenvolk. Der Imker wird Augen machen, wenn er in seinen Bienenstock schaut.

Bücherbieber, der – Das putzige Pelztier heißt mit Vornamen Justin und nagt sich ratzfatz durch die dicksten Wälzer.

Eisenerzmiene, die – Überforderte Chefs und Familienväter üben sie heimlich vor dem Spiegel und imitieren dabei europäische Spitzenpolitiker.

Fortstelle, die – Stelle in einem Musikstück, bei der besonders viele Konzertbesucher fortgehen, – laufen oder – rennen.

Geschichtsgymnastik, die – Häufig angewandte Praxis der Geschichtsschreibung, bei der die dargestellten Ereignisse verdreht, gedehnt oder gebeugt werden.

Herrschaftszeit, die – Zeitraum, in dem Andreas Gabalier, Florian Silbereisen, Hansi Hinterseher und andere ungekrönte Häupter der „Volksmusik“ über die Abendprogramme der Öffentlich – rechtlichen Sendeanstalten herrschten bzw. noch herrschen.

Küchenmalerei, die – „Se­ñor Velázquez“, sprach eines Tages der König von Spanien, „mal er mir doch die Küche aus, aber dalli. Olé!“ Es wurde der schönste Auftrag seines Lebens.

Landstreckenmaschine, die – Passagierflugzeug, das bei Überfüllung des Luftraums auch auf terrestrischem Gelände bewegt werden kann; vgl. Amphibienflugzeug. Die weitere Verbreitung dieses Flugzeugtyps würde das Problem der dritten Startbahn in München lösen.

Narwahlzahn, der – Abweichende Schreibung für Nachwahl, bei der die Kandidaten im Wahlkampf noch einen Zahn zulegen.

Reisverschluss, der – Verschluss des Darmausgangs als Folge übermäßigen Verzehrs von Reisgerichten.

Ressort, das – Wenn mehrere wie hier im SZ – Text am Meer stehen, handelt es sich um Bundesministerien, auch Ressorts genannt, die zwecks Unterbringung syrischer Flüchtlingsfamilien geräumt und in das luxussanierte Mega – Resort Prora an der Ostseeküste verlegt wurden.

Weinflasche, die – Der relativ hohe Preis erklärt sich dadurch, dass die Käufer für ihre 49, 50 Euro sechs mundgeblasene Designerstücke in limitierter Auflage, nummeriert und mit Echtheitszertifikat erhalten. Statt dieses SZ – Sonderangebot wahrzunehmen, könnte man sich allerdings für das gleiche Geld auch sechs Flaschen Wein kaufen.

„Viel zu lernen du noch hast“: Mit diesen Worten verspottet in Star Wars der spitz – und schlitzohrige Meister Yoda den abtrünnigen Jedi – Ritter Count Dooku. Ob mit diesen Worten nicht auch wir armen unwissenden SZonauten gemeint sind? Das fragt sich voll dunkler Vorahnungen

Orks – Otto

PS. Möge die Macht mit uns sein!

Scan

Ork Nr. 42: Nacht der Autoren

SZ Nr. 212, 15.9.15, S. 6

ork42Einen Teil des Sachsenlandes nannte man in DDR – Zeiten spöttisch „Tal der Ahnungslosen“, weil er nicht vom Westfernsehen bestrichen wurde. Aber vielleicht war es gerade dieser Umstand, der den Menschen dort Klarsicht und Mut für ihre Montagsdemos verlieh; gilt es doch als erwiesen, dass häufiger Fernsehkonsum die Nerven schwächt und den Geist trübt. Inzwischen ist ganz Sachsen denselben TV – Programmen preisgegeben wie der Rest der Republik und das Tal der Ahnungslosen ist nach Südwesten weitergewandert, umschließt jetzt die Hultschinerstraße in 81677 MUC.
Ebendort zitiert ein SZ – Autor zwei Generalsekretäre: „CDU kann auch Großstadt“ und „SPD kann Wahlkampf“ und er kommentiert deren Rede mit dem hochironischen Satz „Sicher ist, dass beide Parteien keinen großen Wert mehr auf Pronomen legen.“

Hää??  Was versteht eigentlich Herr Dörries unter Pronomen? Meint er Prognosen? Oder das englische promotion? Oder Proleten, Prologe, Protonen…? Und wenn er wirklich die Wortart Pronomen meint, welche Sorte bittschön? Am Ende glaubt er gar, Pronomen bezeichne ein Verb im Infinitiv?
Im Dunkeln bleibt die rechte Antwort, und womöglich ist ja die SZ – Strategie bewusst an dem Schiller – Wort ausgerichtet: „Nacht muss es sein, wo Friedlands Sterne strahlen“. Dann müsste man allerdings die gesamte Redaktion wegen Verdunkelungsgefahr in U – Haft nehmen, was sicher bei Herrn Prantl helle Empörung auslösen würde.
Von Schillers zeitweiligem Dichterfreund Goethe hingegen wird überliefert, er habe auf dem Sterbebett als letzten Wunsch geäußert „Mehr Licht!“

Zwischen Licht und Nacht verzieht sich mitsamt seiner Jagdbeute ins Zwielicht der Dämmerung,
Orks – Otto

Ork Nr. 41: Kampf der Geschlechter

Sz Nr. 296, 24. – 26.12.14, S. 42; Nr. 31, 7./ 8.2.15, S. 30; Nr. 43, 21./ 22.2.15, S. 54; Nr. 146, 29.6.15, S. 26; Nr. 151, 4./ 5.7.15, S. 53; – Nr. 13, 17./ 18.1.15, S. 16, 29; Nr. 163, 18./ 19.7.15, S. 58; Nr. 192, 22./ 23.8.15, S.72; – Nr. 31, 7./ 8.2.15, S. 86, „für Kinder“; Nr. 49, 28.2./ 1.3.15, S.59; Nr. 95, 25./ 26.4.15, S. 64; Nr. 133, 13./ 14.6.15, S. 39; Nr. 151, 4./ 5.7.15, S. 2; Nr. 152, 6.7.15, S. 35; Nr. 204, 5./ 6.9.15, S. 64; – Nr. 25, 31.1./ 1.2.15, S. 44; Überschrift: Nr. 175, 1./ 2.8.15, S. 2. Mamma mia!

ork_41In der prüden viktorianischen Ära und weit darüber hinaus herrschten in der englischen Sprache klare Verhältnisse bezüglich des Geschlechtlichen: Das grammatische Geschlecht hieß gender (boring topic), das biologische sex ( rather tricky). In der heutigen Sprache hat indes sex eine andere Hauptbedeutung angenommen, in der es von Erwachsenen wie von Heranwachsenden vorzugsweise mit to have, good, video etc. kombiniert wird. Will man hingegen das Verhältnis von Männlein und Weiblein im menschlichen Zusammenleben besprechen, weicht man auf gender aus. Und auch die deutsche Gesellschaft ist ohne ihre Gender – Diskurse nicht mehr zu denken; was nebenbei illustriert, dass es ohne die Grammatik nicht geht.

Aber die klassischen bipolaren Feministinnen und ihre Widersacher laufen inzwischen dem Mainstream hinterher. Dort geht es jetzt um die komplizierteren Seinsweisen, wo mensch sich gleichzeitig oder nacheinander als männlich und/ oder weiblich oder zwischendrin verortet, als Cis – Mann zum Beispiel oder als Trans – Frau; was übrigens beweist, dass es ohne Latein nicht geht.

Die alten Römer sorgten da in ihrer Sprache für klare Verhältnisse. Was nicht Maskulinum oder Femininum war, das war halt keins von beiden: Ne – utrum. In diesen drei Schubladen konnten sie alles Seiende unterbringen – zumindest in der Grammatik. Der/ die/ das Nutella wäre bei ihnen glasklar weiblich, punctum. In der krausen Lebenswirklichkeit bot sich freilich schon damals ein bunteres Bild, mal androgyn, mal hermaphroditisch und so.

Solch unübersichtlichen Gegebenheiten sehen sich natürlich auch die SZlerInnen gegenüber, nur dass sie all ihre Zweifel, Irrungen und Wirrungen schon mal auf die ebenso unschuldigen wie wehrlosen deutschen Substantive übertragen.
Daraus ergibt sich unser offizieller Transgender – Report 2015:

Trans – Maskulina
der Sumpf – Siegwurz
der Mitglied
der Ethos
der Streckenprofil
der Gründerstipendium

Trans – Feminina
die Album
die Ölverbrauch
die Paprika
die Lieblingsstoff

Trans – Neutra
das Zugabe
das Fläche
das Bruchteil
das Edelstahl
das Schutzschild
das Efeu
das Mühsal
das Dinkelgrießbrei

Außer Konkurrenz als entweder männlich oder sächlich läuft „ein Dienstmagd“.

Und was müssen wir der soeben abgeschlossenen Auswertung dieser Listen durch das Statistische Bundesamt entnehmen? Dass auch in der SZ das weibliche Geschlecht klar benachteiligt wird. Liebe Leserinnen und Leser, bitte fordern Sie diese Zeitung mit allem Nachdruck auf, eine verbindliche Trans – Feminina – Quote in ihr Stylesheet aufzunehmen!
Mit genderpolitisch korrekten Grüßen

Orks – Otto