Archiv für den Monat: Dezember 2015

Kleiner Rückblick auf 50 Orks

Jeder Filmliebhaber kennt Jäger des verlorenen Schatzes, im Original Hunter of the Lost Ark. Verabschiedet sich Orks – 50_bdayOtto nun mit dem 50. Text als Hunter of the Last Ork?
Das fiele ihm schwer, zumal der schöne braune Hut, den er sich als Fan von Indiana Jones zugelegt hat, noch wie neu aussieht. Und weil sein Jagdrevier namens SZ jeden Samstag noch nie betretene, verlockende Hochwälder, Dickichte, Lichtungen und Sichtschneisen eröffnet, in und auf denen jeden Augenblick ein Beutetier auftauchen könnte. Ganz viel banales Kroppzeug, dazwischen manche ganz passablen Böcke, und über allem liegt die unbestimmte Witterung des einen fabulösen Prachtexemplars, eines Sechzehnenders etwa, der in ahnungsloser Selbstgewissheit dasteht und dem sicheren Rohr des Jägers die Brust zum Blattschuss hinhält.
In Wirklichkeit freilich erinnern Ottos Beutezüge eher an die ermüdend eintönige Arbeit des Goldwäschers am Fluss. Aber auch ihn treibt die gierige Hoffnung auf den Fund des Jahres, den dicken, gelbglänzenden Nugget in seiner Hand. Dazu kommt noch, dass sich hier der Goldsucher anschließend als Goldschmied betätigt, dessen kunstreich gearbeitete Schmuckstücke ganz besonders auf lesende Frauenaugen warten. Also noch so ein Ourives das palavras ‚Goldschmied der Worte‘, wie der Titel des schicksalhaften Buches im Nachtzug nach Lissabon lautet.

Oh über euch Frauen! Zu welchen Helden- oder Schandtaten habt ihr nicht schon uns blöde, hormongesteuerte Männer angetrieben! 50_xmasDoch aufgepasst: Selbst der größte Blödmann wartet erst ergeben, dann zunehmend ungeduldig auf seine Belohnung aus zarter Hand. Oder um es mit zwei Versen des  unvergleichlichen Robert Gernhardt auszudrücken:
Ihr Frauen all habt IHN verschmäht!
Tut Buße, ehe es zu spät!

Sie, liebe unbekannte oder auch bekannte Leserinnen und Leser entscheiden also darüber, ob Orks – Otto wie der biblische Nimrod als „ein gewaltiger Jäger vor dem Herrn“ in die Menschheitsgeschichte eingehen oder ob er sich eines Tages grollend in seine mit Spirituosen reich bevorratete Jagdhütte zurückziehen und sich als tragisch gescheiterte Existenz (schnief) seinen Erinnerungen überlassen wird.
Doch noch ist die Zeit für das letzte Halali nicht gekommen. Wieder nimmt er das Jagdhorn von der Wand, hebt es zum Munde zu einem schmetternden Horrido, dass die grässlichsten Orks, tief ins Unterholz geduckt, erzittern wie Espenlaub.

Mit einem frohgemuten „Weidmannsheil“ verabschiedet sich in die Weihnachtspause

Orks – Otto

50_frohe

Ork Nr. 50: Ät se Limit

SZ Nr. 293, 20./ 21.12.14, S.15; Nr. 297, 27./ 28.12.14, S. 18; Nr. 19, 24./ 25.1.15, S.57; Nr. 25, 31.1./ 1.2.15, S. 83; Nr. 210, 12./ 13.9.15, S. 20; Nr. 216, 19./ 20.9.15, S.5 „Für Kinder“; Nr. 257, 7./ 8.11.15, S. 5, 22, 25

ork50Was wären wir ohne die alles umspannende, alle umfangende Weltsprache Englisch? Nichts als unbeholfene Stotterer wären wir, mit den knapp tausend Brocken Alltagsdeutsch, die uns noch geblieben sind von den Hunderttausenden Wörtern und Wendungen in all den Büchern in deutscher Sprache, die jetzt in den Uni-Bibliotheken ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Aus den Stadtbüchereien sind sie längst aussortiert, um Platz zu schaffen für die modernen Ausleihmedien – na ja, auch unsereins sammelt eifrig DVDs; der Name ist abgekürzt aus englisch Digital Versatile Disc. Blu Ray sollen noch besser sein, aber mein Player kann sie nicht lesen.
Bisweilen sind die deutschen Bestandteile in unserer Rede nicht viel mehr als der Leim, der die wichtigeren Wörter zusammenhält, und die kommen ganz oft aus dem Englischen, oder sie tun so als ob. Und wenn man als Württemberger alles kann außer Hochdeutsch, dann ist das schon okay; aber spätestens als EU-Kommissar muss der wackere Schwabe Englisch pauken, um nicht verlacht und über den Tisch gezogen zu werden. Und wenn man als stolzer Pole auf den Chefsessel des EU-Rats gehoben wird, schützt aller Patriotismus nicht vor dem harten Sachzwang, sich in das Idiom von John Bull und Uncle Sam hineinzubüffeln.

Etwas Neues in der Weltgeschichte ist die Dominanz einer Sprache freilich nicht. Schon die Namen der jüdischen Apostel Andreas, Petrus und Philippus waren nicht zufällig griechischer Herkunft. Und als man vor über tausend Jahren daranging, aus den deutschen Dialekten eine Schriftsprache zu basteln, hätte man ohne Mutter Latein (von der man glaubte, dass sie als einzige Sprache Europas eine Grammatik besäße) bald entmutigt aufgegeben. Vor zwei-dreihundert Jahren war es dann das Französische, das unser unbeholfenes, popeliges Deutsch in den gebildeten Ständen bald ersetzen, bald verschönern durfte.

Und jetzt wird unserem Old School German zur Abwechslung mal ein Update auf Englisch verpasst. A guata hoit’s aus, um an Schlechtn is ned schod, sagt dazu lakonisch der Bayer und weiß sich eins mit dem Briten Charles Darwin. Und noch ein klassisches Zitat aus dem Munde eines prominenten Ober-Bayern (dem es zur Zeit etwas durchs Dach regnet): „So geht’s Bisness“ – wohl wahr.
Fast unvermeidlich kommen bei dem Update unserer Muttersprache auch allerhand Mischwesen heraus, auch weil Deutsch und Englisch aus ihrer gemeinsamen germanischen Vorgeschichte noch viele Familienähnlichkeiten bewahrt haben. So what? Unter den Hunden gelten ja auch die Promenadenmischungen als die herzigsten, besonders die mit einem stehenden und einem hängenden Ohr. Da will natürlich auch die Süddeutsche nicht abseits stehen und bestreut ihre Spalten unentwegt mit Anglizismen. Dabei weiß manchmal die rechte Hand nicht, wie der linke Plural geht, oder deutsche und englische Schreibweise paaren sich zu einem Bastardhunderl. Mit einem Wort: Die SZ-people peppen englische Wörter schon fast ebenso gekonnt up oder auf wie die deutschen.
Let’s go, auf gut SZ-Bairisch „Aufi geht’s“!

Der Murderer ist immer der Grocerer:
„ein Union Market, einem High-End-Grocerer in den besserverdienervierteln von Brooklyn“
Who has donne it?
„Denn sogar das „whodunnit“ scheint nebensächlich zu sein.“
Fith for Life:
„erste Adressen wie Saks Fith Avenue in den USA“
The Quater is back!
„der alternde Star-Quaterback Tom Brady“, „einer der berühmtesten aktiven Quaterbacks“
The Goat of Tom Joad:
„Bruce Springsteens CD „The Goast of Tom Joad““
Quartett auf dem Parkett, wie nett:
„ein Vers des Dichters T.S. Eliot in der Sammlung „Four Quartetts““
Die Bösen sind die Warrior:
„Die Reintegration der Keyboard Warrior dürfte schwerer fallen“
Wer ist Star Wars Vater?
„Nichts, was die Vermarktung Star Wars betrifft, geschieht zufällig.“
Speziale für die Pauschale:
„auf der Kreuzfahrt wird es Star-Wars-Speziale geben.“
Austoben auf dem Boadway:
„Doch natürlich können sich auch Alpinskifahrer und Snowboader in der Region Villach austoben.“

Exit thru gift shop:

Wie aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen der EU-Diplomatie verlautet, wurde das folgende Lied des unnachahmlichen Robert Gernhardt zu nächtlicher Stunde (in ruhigeren Tagen) vor einer Eckkneipe in Brüssel-Berlaymont  von den Herren Günther Oettinger und Donald Tusk im Duett eingeübt.

Dem ist nichts hinzuzufügen, beteuert

Orks – Otto

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Ork Nr. 49: Diagnose Konjunktivitis

SZ Nr. 37, 14./ 15.2.15, S. 50; Nr. 43, 21./22.2.15, S.68; Nr. 49, 28.2./1.3.15, S.1; Nr. 144, 26.6.15, „SZ-Shop“ork49

Es gibt Tage, da reichen zwei Mittelfinger nicht aus, um seinen Hass auf die Widrigkeiten des Lebens auszudrücken. Reinhold Mey behauptete von sich „Es gibt Tage, da wünscht‘ ich, ich wär mein Hund“, und davor trällerten die Comedian Harmonists „Ich wollt‘, ich wär ein Huhn“. Und es gibt Dienstagabende, da flötet die schönäugige Frau Stockl von der Rosenheimer Kripo ins Telefon „Es gabert a Leich“.

Sie merken schon, es geht diesmal um den Konjunktiv. Das Deutsche besitzt zwei Sorten davon. Die von den Grammatikern als Nr. I bezeichnete Sorte wird fast nur für die Wiedergabe von Aussagen verwendet, für die man sich nicht verbürgen will:
Der Minister erklärt/ e, er wisse wie immer von nichts / er habe von nichts gewusst. Das Biotop (richtiger wäre Glossotop) des Konjunktivs I ist die formelle, meist geschriebene Sprache. Im spontanen Alltagsdiskurs gebrauchen ihn nur die Schwaben und Alemannen, und von denen haben ihn sogar die Bündner Rätoromanen in ihr exklusives Idiom übernommen

Der starke Herrscher im Reich der Möglich- und Unmöglichkeiten ist auf allen Ebenen der Sprache der Konjunktiv II:
„Wenn i, hätt‘ i, sollt‘ i sin die drei greßten Doldi“, warnen alte Nürnberger und -innen alle, die sich immer nur mit tausend Bedenken ein Stück weit und am liebsten erst nachträglich zum Handeln bemüßigt fühlen, aber sich nicht wirklich aufraffen wollen. Den Europäer freut es, dass unsere italienischen Nachbarn ein fast wortgleiches Sprichwort besitzen: vielleicht haben es einst venezianische Kaufleute aus Norimberga mit nach Hause gebracht: Se avessi, se potessi, se facessi sono tre fessi, auf deutsch ‚Hätt‘ ich, könnt‘ ich, täte ich sind drei Trottel‘, wobei in fesso das hübsche Bild von der Gesäßspalte alias Maurer-Dekolleté steckt.

Die mit allen Wassern gewaschenen SZ-Autoren bewegen sich im Allgemeinen recht graziös auf dem glatten Parkett der Modalsyntax, aber dann und wann rutscht doch einer aus, und der böse Orksjäger schaut grinsend zu und greift dann zur Flinte bzw. Schere. Ein besonderer Leckerbissen ist es für ihn, wenn gleich ihrer Fünfe plus eine Dame im Kollektiv ausrutschen, ein faux pas de six im Ballettsaal der Grammatik. Ahnen Sie was? Es ist das zu Recht so beliebte Streiflicht:

„Wenn Varoufakis damit singend herumbraust, als gebe es kein Morgen und keine Sorgen“.

Vielleicht saß ja den Sechsen das berühmte Rilke-Gedicht vom eingesperrten Panther noch im Hinterkopf:
„Ihm ist, als ob es tausend Stebe gebe“.

Zwei andere praktizieren eine feige Vermeidungstaktik: Finger weg vom Konjunktiv!

„als ob eine Sechs in Orthografie auch schon wieder ein paar Jahre jünger macht.“

„Als ob der Sommer in diesem Bild eingefangen wurde, erstrahlt die Mohnblumenwiese im Sonnenlicht.“

Wie zum Ausgleich wirft sich ein anderer Kollege in die Bresche, wo keine ist:

„wie das Volk früher bei öffentlichen Hinrichtungen sensationsgeil gaffe oder heute sogar filme“.

Wir goutieren hier die angenehm offiziös-vertrauenswürdige Anmutung dieses Konjunktivs: Was die Petrolnote beim Riesling, ist der K I beim Schreiberling.

Da muss er sich doch gleich ein Gläschen genehmigen, auch wenn es bloß Malvasia Nera aus Apulien ist.
Es hebt das Glas auf Ihr Wohl

Orks – Otto

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