Archiv für den Monat: März 2015

Ork Nr. 25: Schule der Nation

ork25SZ Nr. 293, 20./21.12.14, S.74; Nr. 2, 3./4.1.15, S.73; Nr. 13, 17./18.1.15, S.72

Einstmals trug diesen Ehrentitel die gute alte Tante Bu (ndeswehr), bei der sich ein Jüngling nur um ein weniges länger verpflichten musste und dafür mit einer Lizenz als LKW-Fahrer, Fernmeldetechniker oder wenigstens Kampftrinker nach Hause kam.

Inzwischen bietet der Bund immer noch reizvolle Berufsfelder an, z.B. als Gewehrlaufkrümmungs-Dokumentar (m/w, Schwerpunkt G36) oder als Eventmanager (m/w) im Rahmen des brandneuen Bundeswehrattraktivitätssteigerungsgesetz-Umsetzungserlasses (BwAStG-UE), falls Mann sich nicht durchs wilde Kurdistan chauffieren lässt; zur Vorbereitung auf solche Einsätze empfehlen wir Karl May, Band 2 der gesammelten Werke.

Bei diesem 560-Seiten-Schmöker fiele wohl auch einiges ab für die Sicherheit unseres imaginären Stabsoberfeldwebels im schriftlichen Sprachgebrauch des Zivillebens, für die Orthografie allemal. Ersatzweise könnte er/sie auch zu einer guten Zeitung greifen, vorausgesetzt man schaut beim Lesen ein bisserl genauer hin und prägt sich vorbildhafte Druckbilder gut ein. Natürlich kann, darf und soll auch jeder andere SZ-Leser (m/w) diese strenge Schule durchlaufen und rechtschreibgestählt daraus hervorgehen. Um den Lesern hierauf ein wenig Appetit zu machen, bieten wir im folgenden gleich einige exemplarische Schreibweisen zum Einprägen an.

Möbeliertes Zimmer
„Dafür gab es Mobilar, das man in den Sechzigerjahren gar nicht schnell genug abmontieren und vernichten konnte.“

Mausgeburt im Kreisverkehr
„Nach der Wahl kreiste ein Berg und gebar eine Maus.“

Schneewittchen im weißen Audi
„Bei Audi zum Beispiel wollte man uns zuletzt weiß machen, dynamische Blinkleuchten seien jetzt der letzte Schrei.“

Prädikat ‚besonders wertvoll‘ für:
„Therapeuth“.
Indes: Nicht jeder Psychopath geht auch zum Therapeuten! Oder war es nur eine diskrete Hommage von CHJ an den Geist von Kreuth?

Ja, es tut gut, bei Journalisten vom Range eines Baby Schimmerlos in die Schule zu gehen. Darauf darf man sich ruhig einen Kir Royal genehmigen, meint

Orks-Otto

Ork Nr. 23: Klare Worte

ork23SZ Nr. 49, 28.2./1.3.15, S. 43, 28, 30, 31, 23, 24, 81; vgl. auch Ork Nr. 24

Da schaut ein smarter SZ-Jungleser selbstbewusst in die Runde und bekennt offen die Gründe für seine Zeitungswahl: „Recherchiert gut, pflegt die klare Sprache und erspart mir das Unwichtige.“

Da wollen wir doch gleich mal nachschauen, ob und wie sich Herrn Jaworskis anerkennendes Urteil in der gleichen Ausgabe nachvollziehen lässt.

Seid umschlungen, Millionen:

„Die BASF feiert 2015 ihr 150jähriges Jubiläum, alle Mitarbeiter erhalten eine Sonderzahlung von 100 Millionen Euro.“

Some like it short – erspart das Unwichtige:

„Aber eine post-alphabetische Gesellschaft ist so instabil wie eine analphatische, warnt Myers.“

„Die Finanzbranche verweist kurz zuvor vorgelegtes Konzept zur „lückenlosen Erfassung der fraglichen Aktiengeschäfte.“

Sprache klar wie Flasche leer:

„Die deutschen Bankenorganisationen, der Verband der Auslandsbanken, …der Bund der Steuerzahler und andere Zusammenschlüsse sind Cum-Ex-Geschäfte zu Lasten des Staates kein Thema.“

„Die Kreuzfahrtschiffe knubbelten sich früher am Ocean Terminal“

„die Schrift Meta. Nicht zu breit, nicht zu „spinnerig“, nicht zu kräftig.“

Gut recherchiert und sehr eindeutig:

„Der hypnotisierende, aphrodisierende Sog von Songs wie „In My Boots“ oder „2328628“ lässt Konzertbesucher die Popos aneinander schwingen und irgendwann übereinander herfallen. Aber das nicht platt, sondern voller Hommagen an Krautrock, Moroders Italo-Munich-Disco, New Wave, No Wave, mexikanischen Totentanz und Eskapismuslyrik.“

Test glänzend bestanden! Wir dürfen also Herrn Jaworski aufrichtig gratulieren: SZ-Lesen schärft den Geist und die Sinne, auch die von

Orks-Otto

 

Ork Nr. 22: Die nackte Kanone

ork22SZ Nr. 43, 21./22.2.15, S.68

Der hessische Landgraf Philipp I., genannt der Großmütige, mochte als frischbekehrter Protestant mit seinem Nebengspusi nicht länger einfach so rumschnackseln und erwirkte in diskreten Verhandlungen mit Rom, äh, Wittenberg die Zustimmung seiner Kirchenoberen zu einer Zweitehe. Er hatte sich dafür selbst ein Attest ausgestellt, demzufolge er im Schritt einen Dreierpack hängen hatte, dessen Überproduktion in geregelte Bahnen gelenkt werden musste. Wenn es sich dabei nicht um ein Täuschungsmanöver handelte, verfügte also das Sturmgewehr seiner Durchlaucht über drei Magazine, aber nur einen Lauf.

Ganz anders der unbekannte Zeitgenosse, der Richard Christian Kähler als Opfer eines Autounfalls filmen wollen täte und dafür von ihm vorsorglich verflucht wird:

„dem soll sein Handyfinger verdorren und er werde unfruchtbar bis ins dritte Glied, dass er niemals nie mehr wird zeugen können.“

Herr Kähler unterstellt also dem erdachten schamlosen Kameramann schon gleich mal eine Drillingsflinte (Phallus triplicatus)! Man mag dies als fast schon übertriebene Vorsichtsmaßnahme ansehen, nachdem derlei Genitalproliferationen bisher eher selten beobachtet wurden.

Am Ende ist die irgendwie archaisch klingende Fluchformel gar nicht auf Herrn Kählers eigenem Zorn gewachsen, sondern aus dunkler Erinnerung aufgestiegen, und zwar an seinen einstigen Religionsunterricht, wo er – so Gott wollte – ein Bibelwort von echt alttestamentarischer Härte vernommen hatte: „Gott, der die Missetat der Väter heimsucht auf Kinder und Kindeskinder bis ins dritte und vierte Glied“. Heutzutage muss halt alles von jetzt auf gleich gehen, auch die Rache für noch nicht erlittene Unbill. Aber in der Bibel finden wir noch ein anderes Wort: „Mein ist die Rache; ich will vergelten, spricht der Herr“. Sollten wir nicht Herrn Kähler als Kompromisslösung vorschlagen, dass er sich mit einem kernigen Fluch auf das goddam fucking smartphone des Gaffers begnügen möge? Dem Scheißdings soll nun aber wirklich das allergrässlichste Ende bereitet werden!

Ihr (für diesmal) barmherziger
Orks-Otto

Ork Nr. 21: Schöpfungsgeschichten

ork21SZ Nr.19, 24./25.1.15, S.74; Nr. 43, 21./22.2.15, S.25

„So schuf Gott den Menschen nach seinem Abbild, nach Gottes Bild schuf er ihn“ heißt es in der Bibel. Neun Generationen später hätte Gott den Menschen beinahe wieder abgeschafft; einzig Noah durfte seine DNA auf uns Heutige vererben. Geraume Zeit danach drehte ein Wahlnürnberger, Feuerbach schrieb er sich, trotzig den Spieß um: „Der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde.“ Nach einer Weile schaffte wiederum ein gewisser Sensenmann den Herrn Feuerbach beiseite, und in unseren Tagen wurde bei der Nymphenburger Porzellan-Manufaktur wieder etwas abgeschafft, diesmal durch den Geschäftsführer:

„Thomas schuf den Verkauf von Waren zweiter Wahl ab.“

Wenn Herr Thomas den Verkauf abschuf, dann war er also ein Abschöpfer, sowie am Anfang der Schöpfer Himmel und Erde schuf. Auch einen Paradiesgarten schuf Er für die Menschen und schaffte ihn alsbald wieder ab: Weil seine zwei Ebenbilder es nicht schafften, sich an ein einziges Verbot zu halten, mussten fortan die Söhne Adams und Töchter Evas selber schaffen gehen und manche auch anschaffen, Gott sei’s geklagt. Aber seither ist auch klar: Wer schafft, schafft an oder auch ab, so wie der Herr Thomas.

Aber welcher Schuft schuf die Zwangsjacke der Grammatik, dieser starrköpfigen, pingeligen alten Bitch? Es wäre besser, man schüfe auch sie wieder ab, als Haupthindernis auf dem Weg zu lässig-coolem Sprachgebrauch. So gesehen darf sich auch Anna Günther als Abschöpferin fühlen, oder wenigstens als Robinetta Hood der deutschen Sprache, und sich ein grünes Hütchen mit kecker Feder auf den Schopf setzen. Sie sollte aber nie vergessen, dass auch im Sherwood Forest gewisse Geschöpfe ganzjährig bejagt werden von

Orks-Otto

P.S. Andersherum wird auch kein Schuh draus:

„Dass der Wohlstand, den die erste Welle der Industrialisierung schaffte, allen zugute kam…“

Aber die Damen Günther und Bernau könnten sich doch mal bei einer Apfelschorle über ihr Sprachschaffen austauschen.