Ork Nr. 6: Ende einer Deutschstunde

ork6SZ Nr. 292, 19.12.14, S. 6; Nr. 293, 20./21.14, S. 46, 90

Versetzen wir uns in einen Unterrichtsraum der gymnasialen Oberstufe irgendwo in Deutschland, sagen wir eine bayerische Q11. Die Lehrkraft, Frau OStRin Amélie Spitznas-Bleichenwang (Spitzname Spitzmaus) schreibt gerade in roter Farbe einen Satz an das Whiteboard, in das Satzinnere jedoch drei Wörter in grüner Farbe. Sie kichert dabei: „Das Grüne muss in das Rote, hihi“, aber niemand reagiert auf den Scherz.

Darauf, mit etwas Schärfe in der Stimme, benennt sie das Grüne: „Dies ist eine Apposition.“ Die eine Hälfte der Klasse: Schweigen der Lämmer. Die andere Hälfte: „Hää?“ Einer hakt nach: „Wos für a App?“ Nur die Intelligenzbestie Destiny-Hope Hölldobler ist schon wieder mal voll die Lage am Checken: „Sie meinen doch Opposition, gell?“ Mit Blick auf Frau Amélies Farbenwahl trifft das eigentlich schon ins Schwarze. Aber Frau S.-B. wirft dem Thinktank der Klasse nur einen Leidensblick über den Brillenrand zu und definiert: „Apposition ist eine substantivische An- oder Einfügung im Satz, die im gleichen Kasus steht wie das Substantiv, auf das sie sich bezieht.“

Verba docent, exempla trahunt. Unsere Germanistin deutet auf den zweifarbigen, didaktisch ansprechend aus einem führenden deutschen Presseorgan entnommenen Satz:

Sie spricht für Digitalcourage aus Bielefeld, einem der Vereine, die alljährlich den Big-Brother-Award vergeben.“

Und damit die Stunde gar herumgeht, schreibt sie noch einen Satz darunter, und noch einen (Repetitio est mater studiorum):

Als die Langtunes Ende Oktober auf der kleinen Bühne der Kulturkellereieinem schmucken Kellerclub in Nürnbergstanden, boten sie dort ein Konzert, so vorbildlich zupackend und tanzbeinfördernd…“

Eigentlich müsste er also Fan der „Steelers“ sein, einem Erfolgsklub.“

„Also, ihr seht schon“, erklärt die Dozentin, „ihr müsst euch nur eine einfache Regel merken: Setze Appositionen grundsätzlich in den Dativ! (das nennt man linguistisch eine Default Regel). Und noch ein Tipp von mir: Wenn das Bezugswort schon im Dativ steht, dann macht sich nochmal Dativ nicht so doll. Ich nehme dann gern den Nominativ für die Apposition. So, dieses war’s dann für heute. “

Alles atmet tief durch, die Work-Life-Balance spielt sich wieder ein.

Unser kleiner Ausflug in die fabelhafte Welt der Amélie hat uns eines verdeutlicht: So geht Grammatik heute – dahin.

R.I.P.

Ihr pädagogisch-didaktischer Hospitant
Orks-Otto

(Die im Text verwendete Abkürzung Q11 steht für ‚Qualifikationsstufe 11‘)