Ork Nr. 20: Der heiße Atem der Geschichte

Ork20_2SZ Nr.25, 31.1./1.2.15, S.17

Da tun sich irgendwo zwischen den Wäldern und Sümpfen Germaniens drei Hetzprediger zusammen, ein extremistischer Theologe Dr. Luther, ein Griechischdozent Schwartzerd (Deckname Melanchthon) und ein perspektivloser Künstler namens Lukas Cranach. Wir schreiben das Jahr 1523, und die drei Finsterlinge wollen mit bösen, blasphemischen Karikaturen in Wort und Bild möglichst viele Anhänger ihrer Reformen enthemmen. Ihre haltlose Polemik mit den passenden blasphemischen Bildern verbreiten sie durch das Massenmedium Flugschrift überall im Lande.

Nach vierjähriger Aufheizphase entfaltet eines dieser Hetzblättchen aus der LMC-Lügenpresse seine fatale Wirkung: Die mörderischen und räuberischen Rotten aufgeputschter protestantischer Landsknechte wälzen sich über die Alpen und den Apennin, erstürmen die Mauern Roms und hausen in der Stadt wie die Dschihadisten. Sie enthaupten und entnasen sogar Heilige und Päpste, wenn auch nur solche aus Stein und Holz. Besonders die Zusatzinfo „Wenig später brannte Rom“ ist so wertvoll für die Geschichtskunde, weil sie ausschließlich bei Kia Vahland überliefert ist. Der Mainstream klammert sich noch immer an das Datum 64 n. Chr., als der (konfessionslose) Kaiser Nero gezündelt haben soll; vgl. die anschauliche Darstellung von P. Ustinov, Quo Vadis (1952). Der katholische Kaiser Karl V. schaut dem wüsten Treiben aus der Ferne hilflos zu, obwohl er doch soeben Papst Clemens VII. den Beginn einer wunderbaren Freundschaft angekündigt hat. Wenn das man gut geht, ihr Tedeschi protestanti?

Bis jetzt hat zwar der Vatikan noch keine Reparationsforderungen samt Zins und Zinseszins für 488 Jahre an die Evangelische Kirche in Deutschland als Rechtsnachfolgerin unseres Polemistentrios gerichtet. Aber wenn er es tut und damit durchkommt, wäre Tsipras‘ Griechenland finanziell noch in einer komfortablen Lage gegenüber der EKD. In allen Fußgängerzonen stünden blutjunge Vikare und gereifte Pfarrerinnen in Talar und Beffchen herum und würden schwarze Luther-Playmobilmännchen (7,5cm) gegen eine milde Spende verteilen, mit dem Slogan „Wenn das Geld im Kasten klingt, der Bischof aus der Haft entspringt.“

Aber statt dieses Wurst-Käs-Szenario, das sich Kia Vahland womöglich von südostdeutschen Verfassungsschützern besorgt hat, bis zum bitteren Ende fortzuschreiben, könnte man doch die ganze Geschichte ein wenig umdrehen, in ökumenischerem Geiste.

Zum Beispiel könnte der Kaiser Karl von der perfiden Schaukelpolitik des Heiligen Vaters einen dicken Hals bekommen und dem Medici-Papst seine eigenen, nicht auffällig protestantischen Landsknechte auf dessen Hals gehetzt haben. Und wenn der Söldner, gleich ob spanischer Marokkaner, Flame, Schwabe oder Magyar, keinen Sold bekommt, stellt er sich schon mal eine Lizenz zum Plündern undsoweiter aus, und dann haben die Römerinnen und Römer weiß Gott nichts zu lachen.

In diesem Fall wären aber die Drei von der Reformations-Tankstelle Wittenberg ziemlich schuldlos an der Verheerung der Ewigen Stadt gewesen, und die EKD-Finanzen blieben auf ewige Zeiten wohlgeordnet. Auch das Bild des „Bapstesels“ von Cranach zeigt in Wahrheit keinen Esel, sondern eher eine Art Wolpertosaurus, und darunter die Namensform „Melanthon“. Cranach schnitt also nichts anderes als den grewlichen Orcum des Druckers in die Holzplatte. Dieses beweist unumstößlich, dass schon vor einem halben Jahrtausend der Wurm, bzw. Ork in den Medien drin war. Aber mal ehrlich: Hätten Sie etwas anderes erwartet?

Ihr Hilfs-Archivar
Orks-Otto

P.S. Unter dem Namen Sacco di Roma hat sich das zehnmonatige Romstipendium des kaiserlichen Heeres tatsächlich in das kollektive Gedächtnis der italienischen Nation eingebrannt. Nicht zuletzt deshalb wurde die stille Arroganz, mit der die Spieler des FC Bayern am Tag nach der 1:7-Klatsche für den AS Roma ihren dunkelblauen Sakko di Roma bei der Papstaudienz zur Schau stellten, in der Öffentlichkeit Italiens aufmerksam registriert. Und ob heute die Christen beider Konfessionen wie auch die Gläubigen anderer Religionen es gelassen hinzunehmen haben, wenn man ihre religiösen Überzeugungen und Gefühle mit fifty shades of blasphemy beschmiert, ist auch nicht in Granit gemeißelt. Zur Sühne, Frau Vahland, entrichten Sie bitte eine der Schwere Ihrer Verfehlungen angemessene Geldbuße an die sz.leserstiftung.ork, pardon: org!