Archiv des Autors: Otto_Gsell

Ork Nr. 47: Love Parade im Anmarsch

SZ Nr. 210, 12./ 13.9.15, S.40

Ork47Liebe SZ-Leserin, lieber SZ-Leser! Falls Sie bereits durch das Partnerportal „SZ Zeitzuzweit“ geschritten sind: Fliehen Sie Hals über Kopf, mit oder ohne Handgepäck, zu jeder Tages- oder Nachtzeit, nach Ulan Bator, Mururoa oder in den Mato Grosso! Denn es sind über 250.000 Menschen unterwegs zu Ihnen, um Ihrem Glück auf die Sprünge zu helfen. Was wird danach von Ihnen noch übrig sein?
Freilich, ein kleines i könnte die aufflackernde Panik in Ihren Augen wieder zum Erlöschen bringen, aber Mitleid suchen Sie bei der SZ vergebens.
„Überzeugen Sie sich selbst“ – oder retten Sie Ihre Haut!
Letzteres rät Ihnen dringlich

Orks – Otto

PRAY FOR PARIS

Es wäre herzlos, die schrecklichen Mordanschläge vom 13. November mit dem billigen Wortspiel „Paris, ville de l’amour et de la mort“ zu kommentieren. Schließlich ist ganz Frankreich ein Mitglied der europäischen Familie. Und wenn sich manche politischen Anführer in dieser Familie verhalten wie falsche Verwandte, die es nur auf das Familiensilber abgesehen haben, ist das nicht Frankreich anzulasten und die Opfer der Attentate haben damit überhaupt nichts zu tun.

Stattdessen möchte Orks-Otto die hart getroffene Stadt an ihr eigenes, uraltes Wappen erinnern. Es zeigt ein hölzernes Schiffchen auf bewegtem Meer, mit der Umschrift Fluctuat nec mergitur  ‚Es schwankt auf den Wellen, aber es geht nicht unter‘.

‚Liberté, démocratie, solidarité‘ – diese drei sollten jetzt mehr denn je Wegweiser für alle wirklichen Europäer sein.

 

Versuch über Hebe

I
Hebe war im Altertum die Göttin der jugendlichen Schönheit. Sie war eine – ausnahmsweise eheliche – Tochter des Göttervaters Zeus und als ihr Gemahl auf dem Olymp war der Halbgott Herakles, der Super-Superman der Antike, gerade gut genug für sie.
Wie alt dürfen wir uns die Göttin vorstellen? Auf den Grabsteinen des römischen Imperiums liegt das häufigste Sterbealter um die Dreißig.

1832 veröffentlichte Honoré de Balzac auf seinem großen Streifzug durch die französische Gesellschaft seiner Zeit den Novellenroman La femme de trente ans ‘Die Frau von dreißig Jahren’. Mit dreißig hatte eine Frau damals ihre besten Jahre schon hinter sich, und Balzac zeichnet ein eindrucksvolles Porträt der feinfühligen Julie d’Aiglemont als alternde Frau.
Der Volksmund setzte die kritische Grenze sogar noch früher an: coiffer Sainte Catherine bedeutete ‘die 25 erreichen und noch nicht unter der Haube sein’. (Die heilige Katharina war auch Patronin der Putz- und Hutmacherinnen. Für ihre Statue eine Haube mit passender Haartracht zu kreieren, konnte ihr Frauenherz rühren und mit ihrer Hilfe auf den letzten Drücker noch einen Ehemann herbeizaubern.)
In den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts kursierte in Männerkreisen folgende Scherzfrage: Was hat es zu bedeuten, wenn eine Frau mit 40 Lila trägt? – Es ist für sie der letzte Schrei. Der Hintersinn bezog sich da auf einen stummen Schrei nach Bestätigung ihrer weiblichen Anziehungskraft, immer noch am sichersten festzumachen an einem Heiratsantrag.

Und heute, im noch jungen 21. Jahrhundert – bei welcher Jahresmarke liegt jetzt der Deckel für die alte Schachtel bereit? Ottos drei hübsche Töchter sind alle so um die Vierzig und nicht nur die Freude und der Stolz ihres Papas, sondern sehen auch bei distanzierter Betrachtung irgendwie alterslos jung aus, so als wäre ihre biologische Sanduhr von den ständigen Streiks bei der Lufthansa mit stillgelegt.

Liegt dann die Alters-Grenze der Frau heute bei 50, 60 oder gar 70 Jahren?
Auch das nicht, sondern irgendwo und nirgendwo. Jede markante Linie in den Gesichtszügen wird von den einen mit Würde und Stolz getragen, macht sie doch ihre Trägerin zu einem unwiederholbaren Kunstwerk des Lebens, das sie als geschmackssichere Frau aufs Anziehendste auszugestalten und aufzuhübschen weiß. Die effektvollste Naturkosmetik kostet ohnehin keinen Cent und kann wahre Wunder wirken: Es ist häufiges, je nach Gusto der Trägerin herzhaftes bis feines oder süßes Lächeln (verschönert auch den Herrn). Und selbst den von vielen Damen so gefürchteten “mittleren Ring” sollten sie als ihr eigen Fleisch und Blut mit lächelnder Nachsicht annehmen. Noch immer werden sich Männer nach ihnen umdrehen, wenn auch eher George Clooney als Lothar Matthäus, was auch kein Unglück ist.
Andere Frauen aber bekämpfen ihre Lebenslinien im Gesicht und am Körper mit allen von der Haager Landkriegsordnung erlaubten Mitteln. Da wird gelifted, gebotoxt, gebleacht, abgesaugt, aufgespritzt, die Büste zu einem Silicon Valley umgebaut, bis die Dame, wie einst die Gattin des Bildhauers Pygmalion, mehr als Geschöpf ihrer Ärzte denn als das ihrer Eltern gelten muss. Immerhin würde selbst Agent 007 beim Pokerspiel an der Starre ihres Gesichtsausdrucks verzweifeln. Treiben es aber die Jugendbewahrer zu lange, erinnert ihr Opfer zuletzt an eine Hofdame aus dem Grab Thutmosis II. Wenn ewige Jugend so aussieht, dann wendet sich jetzt der Gast mit Grausen.
Das finale Stadium eines natürlichen oder künstlich geschaffenen Äußeren können Sie eindrucksvoll in den Catacombe des Kapuzinerklosters von Palermo besichtigen – Kinder besser draußen lassen! Dann ist es für alles zu spät. Aber solange wir noch bei Sinnen und bei Kräften sind, solange kann auch die ewig junge Göttin Hebe in uns wohnen.

II
Klingt ja gut, aber wie soll das gehen?
Vielleicht hören wir zuerst dem jungen Mädchen zu, das jedes Jahr mit seinem Prolog den Christkindlesmarkt eröffnet:
“Ihr Herrn und Fraun, die ihr einst Kinder ward, seid es heut wieder nach ihrer Art!”
Taugen die zwei Verse nur für ein paar rührselige Momente, oder etwa für das ganze Jahr?
Bevor wir dieser Frage nachgehen, sollten wir erst einen Blick auf den Gegenpol der Jugend werfen, nämlich das Altern und das Alter.

Unser kalendarisches Alter, das vom Tag der Geburt an konstant zunimmt, können wir überhaupt nicht beeinflussen; deswegen behandeln es viele Damen als Teil ihrer Intimsphäre, und einige besonders Mutige oder Prominente fummeln sogar an ihrem Geburtsdatum herum. Zum Beispiel aus einer Drei eine Acht zu machen geht kinderleicht und bringt immerhin fünf Jährchen.

Das soziale Alter, wenn es als Renteneintrittsalter definiert ist, wird von den Politikern nach Bedarf hin- und hergeschoben. Für sehr viele Menschen hängt aber das soziale Alter hauptsächlich von ihrer Wahrnehmung durch die Mitmenschen ab, als ‘jung’, ‘jugendlich’, ‘ältlich’ und so weiter. Viel lieber möchte man mit 60-70 Jahren unter die alten Jungen als unter die jungen Alten gezählt werden, gern unter die best ager, ungern unter die silver ager.
Oder eine Frau will – im Fernsehfilm (Arte, 4.12.15) – mit 60 noch Mutter werden, als Nachweis ihrer fortbestehenden Jugend. Vordergründig geht es in dem Film um körperliche Erscheinungen, um Toupet, Piercing, Koitusfrequenz, Babybauch. Dahinter steckt aber nichts anderes als der Drang nach Selbstoptimierung und Akzeptanz als ‘immer noch jung’ durch die Umwelt. Zur Schwangerschaft kommt es bei Miss Sixty dann doch nicht mehr, was sicher die Einstellungen des Fernsehpublikums besser bedient und dem allfälligen Wunschkind die Rolle des Meerschweinchens erspart, das die Achtjährige un-unbedingt haben muss.

Eine problematische Facette des sozialen Alters sind auch die Klischees, die die Jüngeren mit sich herumtragen und verzapfen (wenn sie selbst einmal Senioren sind, reden sie kaum mehr davon). Am 7.11.15 stand in der Süddeutschen Zeitung auf Seite 77 ein Interview mit dem Popkünstler Chris Norman. Er äußert dort seine Sicht der Dinge: “Die meisten Menschen verbringen doch ihre Zeit damit, auf irgendetwas zu warten. Egal, ob junge Leute oder alte, die warten dann darauf zu sterben.”
Da sehen wir sie vor uns, all die Gruftis und Kompostis, die nur darauf warten, an ihren Bestimmungsort verräumt zu werden.
Den Herrn Norman betrifft das nicht, er ist ja erst 65. Deutsche Popkünstler altern ohnedies unmerklich langsam. Frühestens mit 80 werden sie mitten im Leben abberufen, andernfalls schaffen sie auch mal die 108. Ad multos annos, Mr. Norman!
Das gängigste Klischee ist natürlich dieses: Alte sind klapprig, tattrig, senil oder gleich dement. Die Wahrheit sieht anders aus. Am 29.11.15 konnte man von der ARD erfahren, dass in Deutschland rund 17000 Menschen leben, die die Hundert überschritten haben. Drei von ihnen lernte man im Interview kennen: Sie sind zwar nie als Hundertjährige aus dem Fenster gestiegen und verschwunden, aber dafür gestalten sie im Rahmen ihrer Möglichkeiten ihren Alltag aktiv, sie pflegen ihr Beziehungsnetz und zwei von ihnen leben noch ganz in ihrer Gegenwart.

Unser biologisches Alter haben wir in erheblichem Maße selbst in der Hand. Wie die Forschung herausgefunden hat, hängt nur der kleinere Teil (zwischen 20 und 30 Prozent) der körperlichen Alterungsprozesse von den Genen ab, und der weitaus größere Teil von Umwelt und Lebensweise; so kann die durchtrainierte Siebzigjährige fitter sein als der fette Dreißigjährige. Es stimmt also: Turne bis zur Urne!
Aber wie viele mögen es wohl sein, die erst in reiferen Jahren anfangen, sich körperlich und mental fit zu halten? Meistens gilt ja doch das Sprichwort “Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr”, es sei denn als Koronarpatient nach einem Warnschuss vom Herzen.

Die Forscherteams untersuchen das muskuläre, das hormonale, das kognitive Altern, die Zellalterung – aber wer beugt sich über das psychische Altern?
Es ist doch immer dasselbe Kreuz mit den Wissenschaftlern: Was sie nicht messen können, darum machen sie einen Bogen. Leistung jeder Art kann man prima testen und vergleichen, Lust auf Neues und Spaß am Leben und Lachen eher nicht. Der Serotoninspiegel geht auch zu bestimmen, aber was sagt das Glückshormon im Blut wirklich aus über den Gefühlshaushalt, über die positiven Emotionen, die der eine reichlich hat und der andere spärlich? Aber das seelische Altern existiert, mit oder ohne wissenschaftliche Zuwendung, und wer wüsste nicht gern, was man dagegen tun kann?
Jedenfalls ist auch das ein schleichender Prozess. Man wird sich entweder frühzeitig gegen ihn zur Wehr setzen, oder man wird es gar nicht tun, ganz ähnlich wie beim biologischen Altern. Aber die beiden Prozesse müssen nicht parallel und im gleichen Tempo vor sich gehen. Manchmal laufen mir beim Wandern in Frankens Hain und Flur graubärtige, drahtige Gestalten in hochwertigen Outdoorjacken über den Weg, richtige Vorzeige-Best-Ager. Wenn sie nur nicht diesen eigenartig verkniffenen, teilnahmslosen Gesichtsausdruck hätten. Äußerlich in bestem Erhaltungszustand, zweifellos, aber wie sieht es drinnen aus?
Otto lebt seit Jahren in einer großen Wohnanlage für Senioren. Viele von ihnen führen ihr Leben noch selbstständig und aktiv, andere müssen  mit Einschränkungen zurechtkommen, wieder andere sind auf Hilfe angewiesen. Aber in allen drei Gruppen begegnen wir den gleichen Abstufungen von Lebenswillen und Lebensmut, von der wachen Anteilnahme über verschiedene Grade der seelischen und geistigen Einengung, dann Erstarrung, bis hin zum Verstummen und dem Blick ins Leere.
Das erst ist das wahre Altsein, vor dem wir uns mit Recht fürchten. Neben der Erkrankung ist das seelische Altwerden (das oft mit Vereinsamung und Depression einhergeht) die größte Bedrohung für die Lebensqualität des alternden Menschen.
Es kommt nicht über uns als unabänderliches Schicksal, aber es wird früher oder später zu uns kommen, wenn wir ihm keine innere Jugend entgegensetzen.
Auch für das Greisenalter hatten die Griechen eine Gottheit parat. Sie hieß einfach Geras ‘Alter’, und als Sohn von Nyx und Erebos ‘Nacht’ und ‘Dunkelheit’ kann sie kein Guter gewesen sein. Wir wollen dem finsteren Gesellen gleich die kalte Schulter zeigen.

Altwerden ist nichts für Feiglinge, hat Dieter Hildebrandt geschrieben, und ieberhabbds ist das Leben kein Fleischsalat, wie die Herren Heißmann und Rassau treffend bemerken.
Man muss als Achtzigjähriger keinen Stadtmarathon laufen und keine mollige Zufallsbegegnung zu sich in die Wohnung holen, sowas funktioniert nur im Kino bei Hallervordens. Dass die Alten den Jungen hinterhertorkeln, das kann es doch nicht sein, no way. Diese Art von Marathon gegen die Zeit kann ein Mensch nur verlieren, und unterwegs bleibt vielleicht noch seine Würde als ältere Person auf der Strecke liegen.

III
Also lassen wir die Filme über Alt-Junge und Jung-Alte und schauen jetzt auf die wirklich Jungen, nämlich die Kinder. Wer wie Otto das Glück hatte und hat,  eigene Kinder, dann Enkelkinder in seiner Nähe aufwachsen zu sehen, kann sich alles Wichtige von ihnen abgucken und auf seine eigenen Möglichkeiten und persönlichen Verhältnisse übertragen.
Sind denn die Kinder wirklich die besten Vorbilder und Lehrmeister im Jungbleiben und Wieder-Jung-Werden? Ja wer denn sonst? Meister Yoda vielleicht, oder der weißhaarige Gandalf, oder all die überreifen Schönheiten im Abendprogramm?
Kinder sind neugierig auf die Welt und das Leben, voller Fantasie und begeisterungsfähig, von Natur aus fröhlich und überhaupt immer nah bei ihren Gefühlen: Das ist es, so geht Jungsein.
Aber warum verlieren so viele Menschen diese Eigenschaften im Lauf der Jahre und Jahrzehnte? Warum sagen die Leute von einer alten Dame: “Sie kann sich noch freuen wie ein Kind” und finden das doch irgendwie unnormal?
Kinder entfalten ihre Lebensfreude ganz spontan, ohne Genussmittel und Konsum.
“Schön ist es, auf der Welt zu sein / Sagt die Biene zu dem Stachelschwein”: Dieses Liedchen, das vor einem halben Jahrhundert Roy Black und die kleine Anita  in deutsche Wohnzimmer flöteten, drückt das sehr gut aus. Und ich kenne einige wenige nach Jahren alte Menschen, die sich solch eine kindlich junge Lebenseinstellung nicht zufällig bewahrt, sondern zu einer ganz bewussten Haltung gemacht und ihre Umgebung damit sehr beeindruckt haben. Sie sind ja auch offen für andere Menschen und deswegen selten vereinsamt.

Ein Kind und erst recht ein Erwachsener braucht deswegen kein Pumuckl und keine Ulknudel zu sein; es gibt auch unter Kindern Bedächtige und Ernsthafte. Und statt jugendlichem Leichtsinn und Übermut, die den meisten von uns die Lebensschicksale mehr oder weniger ausgetrieben haben, können wir mit den Jahren einen Blick für all das Komische im Leben entwickeln und darüber lächeln oder ein Witzchen machen.

Kinder und Senioren haben auch gemeinsam, dass sie physisch durchaus begrenzte Möglichkeiten haben im Vergleich zu den jungen Erwachsenen. Natürlich bleibt der Unterschied bestehen, dass der Aktionsradius der Kinder stetig zunimmt, der der Älteren langsam abnimmt. Dafür dürfen wir Senioren immer noch manches, was den Kindern vorläufig verwehrt ist, zum Beispiel abends ausgehen oder eine Dame / einen Herrn bei uns empfangen.
Jedenfalls ist Spaß an der eigenen Leistung, ob mit den Beinen oder dem Köpfchen, eine feine Sache, in jedem Alter. Und mit Kindern Elfmeterschießen oder Memoryturniere veranstalten, das ist der ideale Leistungsvergleich für Ältere, mit Scherzen und mit Lachen. “Pretty is as pretty does” applaudiert da der Amerikaner.

Hier bringt sich eine dritte Gottheit des Altertums ins Spiel, diesmal eine römische. Sie hieß einfach Juventas ‘Jugend’, und verkörperte nicht wie die griechische Hebe die Schönheit, sondern die Energie und den Tatendrang der Jugend. Das ist übrigens eine seelische Eigenschaft, keine biologische. Also kann man sie sich bewahren, unabhängig vom Geburtsdatum. Und Juventas darf neben Hebe mit auf den Hausaltar und kriegt auch ein Räucherstäbchen angezündet – eine lohnende Investition, vielleicht mehr als all die Wellness- und Fitnessprodukte der Gesundheitsindustrie, die ja nur unser Bestes will, unser Geld.
Das Jungsein, um das es hier geht, ist im Grunde ein emotionaler Antrieb, ein Lebensgefühl, das die Jungen und Junggebliebenen von früh bis spät begleitet (gelegentliche Durchhänger nach einem Flop gehören genauso dazu wie der Absacker nach einem langen Arbeitstag). Dieses Lebensgefühl kommt aus dem Bauch und dem Herzen, nicht aus dem Denken, und noch weniger aus der Apotheke.
Lebensgefühl – ist das nicht etwas, das ständig irgendwelche Marketing-Fuzzis anpreisen als käuflich zu erwerben? Aber das ist doch nichts als Blabla, wir wissen es im Grunde alle. Das wirkliche Lebensgefühl muss der fühlende Mensch mit seinem eigenen Leben auskarteln, das gibt es nicht zu kaufen und nicht geschenkt. Hebe verlangt also weder Kaufkraft noch besondere Bildung oder Intellekt von ihren Verehrern; nur dass Bildung und Intellekt den Erlebensspielraum eines Menschen erweitern.
Ob sich die Göttin der Jugend wieder zurückholen lässt, wenn wir sie irgendwann aus den Augen verloren haben? Ein Versuch, mit Ausdauer unternommen, würde sich lohnen.

Was können, was sollten wir also tun, damit sich die immer junge Göttin bei uns wohlfühlt?
Praktische Ratgeber, wie man/frau das körperliche oder mentale Altern aufhalten kann, gibt es auf dem Markt zur Genüge, sei es in Buchform oder als digitale Medien. Und wer als Dame speziell das soziale Altern fürchtet, kann sich einen Bestseller über Anmutig älter werden zulegen.

Vielleicht hält sich unsere Dame auch einfach an das Bonmot von Coco Chanel, wonach keine bezaubernde Frau älter ist als 39. Da ist nämlich was Wahres dran: Eine bezaubernde Frau muss eine jugendliche Ausstrahlung besitzen, gleich wann sie geboren ist. Nimmt man den Ausspruch hingegen wörtlich und versucht, sein Alter zu ignorieren (“Älter werde ich später: Das Geheimnis, schön und sinnlich, fit und entspannt zu sein”) oder zu retuschieren, macht frau oder man sich auf Dauer nur lächerlich – die Weltliteratur ist voll von komischen Alten.
Wie man das seelische Altwerden stoppen oder sogar umkehren kann, finden nachdenkliche Leser schon selber heraus, so wie es am besten zu ihr oder ihm passt.
Klar, nach einem halben Jahrhundert Rasten und Rosten ist es vielleicht zu spät, um wieder an seine Kinder- und Jugendzeit anzuknüpfen. Ein Umschalten per Tastendruck in den Jugendmodus, das geht sowieso nicht, denn wir Menschen sind immer noch analog gebaut und nicht digital.
Je früher wir uns daran gewöhnen, das zu pflegen, zu trainieren, an uns zu mögen, was wir als Kinder besessen haben, desto besser für uns und unsere Lebenszufriedenheit.
Und als Senioren sich nicht hinter körperlichen Einschränkungen verstecken! Gymnastik mit dem Rollator daneben oder auch im Rollstuhl, das wird heute an vielen Orten angeboten, und noch wichtiger als der Erhalt der körperlichen Beweglichkeit ist die Gruppe, mit der man zusammen übt, lacht, plaudert. Überhaupt ist alles, was Menschen unter die Leute bringt der beste Jungbrunnen für die Seele, und der – beinahe – allerbeste ist erwiesenermaßen das gemeinsame Musikmachen, Singen, Tanzen.
Oder wie wäre es mit einem ehrenamtlichen Engagement? Sie treffen dabei garantiert auf sympathische Leute.
Und nehmen Sie öfter mal Geld in die Hand, wenn Sie es ermöglichen können! Die Euroscheine, die die Jüngeren gerne mit vollen Lungen in die Welt des Konsums pusten, kleben den Älteren oft im Portemonnaie fest. Man hat ja so arg sparen müssen in seiner Jugend – bloß, dass die jetzt schon ewig weit zurückliegt. Knickern und knausern machen alt, und lassen einen alt aussehen bei den Mitmenschen.

Emotionalität ist keine Funktion von Testosteron oder Östrogen in unserem Körper, und Begeisterungsfähigkeit auch nicht. Wünsche, Hoffnungen, Sehnsüchte haben, heißt in die Zukunft hinein leben, wie es die Jungen tun, und ab und zu eine Konvention, gar ein Verbot zu übertreten, bringt auch einen Kick, der jung hält.

Und ein Letztes noch, das wir Erwachsenen den Kindern sogar voraus haben: Das spezifische Interesse am anderen Geschlecht, oder um niemand auszuschließen: an anderen Menschen wegen ihres Geschlechts. Sexualität als Grundprägung der Persönlichkeit und starke Quelle unserer Gefühle und Antriebe ist das Lebenselixier bis ins hohe Alter. Sie ist auch eines der weitesten Felder unseres Menschseins, wo Glück und Enttäuschung, wunderschöner Erfolg und schmerzlicher Verzicht beieinander liegen.
Viele der Älteren sind ja alleinstehend, seit Jahr und Tag geschieden von ihrem Partner, ihrer Partnerin durch ein Gericht oder durch den Tod. Nichts hindert sie also, ein wenig Ausschau zu halten nach einer neuen Bekanntschaft oder Freundschaft, vielleicht gar zu träumen von einer richtigen Liebe, von großem Kino.  “Geh aus, mein Herz, und suche Freud” heißt das berühmteste Kirchenlied von Paul Gerhardt. Wenn auch dieser Satz etwas anders gemeint war, wir deuten ihn einfach um, der Himmel möge uns verzeihen. Die jugendschöne Hebe würde gemeinsam mit ihrer Halbschwester Aphrodite ihre schützenden Hände über die späten Liebenden halten.
Im realen Leben mag das eher ein Traum bleiben. “Mit siebzehn hat man noch Träume” säuselte einst Peggy March: Was heißt hier “noch”? Später wohl nicht mehr?
Ein bisschen kokett die Dame, galant der Herr, das hält ganz entschieden ein Stück Jugend in beiden fest. und vielleicht PASSIERT ES ja doch noch eines Tages – und das Leben wird mit einem Mal aufregend und schön. Irgendwann muss sowieso jeder Ballonfahrer, selbst wenn er auf Wolke Sieben schwebt, wieder zurück auf die Erde.

Und dürfen wir daran erinnern, dass Verliebtheit prinzipiell mehr mit Emotionen als mit Erektionen zu tun hat – auch wenn mancher Macher oder Manager aus der Unterhaltungsbranche etwas verständnislos dreinschauen mag, weil immer nur “Sex sells” durch sein Hirn flackert.

Aber zu dem Pfadfindermotto “Allzeit bereit” gehört dann auch, als Mann nicht sommers im ewig gleichen beigen Rentnerblouson und als Frau nicht bloß in Pastellgrün oder Mausgrau, winters dann in gediegenem Schwarz herumzulaufen. Auch der Bastard von Uraltsakko geht nicht von selber kaputt! Und wer immer nur hinterm Ofen beziehungsweise vor dem Fernseher hockt, wird dabei schwerlich jemand kennenlernen, der ihm oder ihr mal tief in die Augen schaut und dazu auffällig lächelt.
Wer freilich keine Sehnsucht, keine Träume mehr in sich trägt, von dem wenden sich Hebe und Juventas resigniert ab.

Sollten wir es da nicht doch mit dem Christkind halten, und nur ein Wörtchen in seinem Reim austauschen:
“Ihr Herrn und Fraun, die ihr einst Kinder ward, seid es heut wieder nach eurer Art”, und das auf Dauer, solange ihr Herrn und Fraun am Leben teilnehmen möchtet.
Und hier noch ein Mantra zum Auswendiglernen:

Jugend, Reife, Alter lassen sich nicht einfach nach Jahren abteilen – gottlob.
Wahre Schönheit, sagt man, kommt von innen.
Wahre Jugend erst recht.
hebe

Hier wohnt Hebe:
100-jaehrige-Faschingsprinzessin
Die 100-jährige Charlotte Geppert und ihr 71-jähriger Sohn Bruno posieren als Faschings-Prinzenpaar
Foto: dpa

Ork Nr. 46: Perfektes zusammen Spiel

SZ Nr. 239, 17./ 18.10.15, S. 70; Nr. 2, 3./ 4.1.15, S. 3, 15, 73; Nr. 19, 24./ 25.1.15, S.77; Nr. 25, 31.1./ 1.2.15, S. 33; Nr. 125, 3./ 4.6.15, S. 13, 25, 41; Nr. 133, 13./ 14.6.15, S. 32, 39, 84, 88; Nr. 163, 18./ 19.7.15, S. 76; Nr. 175, 1./ 2.8.15, S. 23; Nr. 192, 22./ 23.8.15, S.18

Ork46Nein, hier ist nicht vom FCB die Rede, sondern von Herrn Dr. Frank-Jürgen Weise. Der hat kürzlich die Aufgabe übernommen, zwei Mammutbehörden zusammen zu führen. Heißt das auch, dass er sie zusammenführen soll zu einer Mega-Mammutbehörde, so wie der SZ-Stellenmarkt Fachkräfte und Arbeitgeber zusammenführen möchte? Und gibt es jemand in den Ländern deutscher Zunge, der diese Frage für sinnvoll hält und noch dazu die richtige Antwort kennt? Orks – Otto ist da eher bänglich zumute, aber Bangemachen gilt bekanntlich nicht. Vielleicht kriegt er ja in zehn Jahren eine ermunternde Zuschrift vom Ehepaar Han Solo mit der schönen Prinzessin Leia, versandt mit Lichtpost aus den Tiefen des Weltalls, und seine bedrückte Miene wird sich ein wenig aufhellen.
Aber lebt denn nicht irgendwo auf diesem Planeten, gar bei der SZ, eine zweite Prinzessin Leia, die dem einsamen Jägersmann mittels einer 62-Cent-Marke (demnächst teurer) ihre moralische Unterstützung zusicherte, oder eine Agathe, die dem verzagten Freischützen frischen Mut einflößte, oder eine Penelope, die einen des endlosen Bogenspannens überdrüssigen Odysseus mit huldvoller Geste befeuerte? Und wann wird, nach 25 Jahren deutscher Einheit, auch in den Spalten der SZ zusammen wachsen, was zusammen gehört, oder vielleicht doch eher zusammenwachsen, was zusammengehört?
Bis dahin dürfen wir Leser uns einen eigenen Reim machen auf eine „wilde Mischung aus Bauhaus und Graffiti übersäte Neoklassik“, und wenn wir „das Hände schütteln“ hinter uns haben, dringen wir vor „zum Licht durchfluteten Herzen der Einheit“, finden uns wieder in „einer Schneeball großen Kugel“ und bestaunen Kunststudenten, die darauf verzichten, „ihren Raum auf Galerie-Maßstäbe zu Recht zu schrubben“. Dafür sollte man den Feuilletonisten zu Recht zurechtschrubben: Eine Wurzelbürste auf der bloßen Haut fördert ungemein die Durchblutung, auch im Denkorgan. Woanders sucht ein Einzelstück „seines gleichen“, „Patienten reagieren über“ (und der Leser gibt sich über), Schreibtische werden „zu einander geordnet“, an „elf super hoch auflösenden Kameras“ stecken Glasfaserkabel und ein Mr. Walter „spielt nichts desto trotz mit der Pixel-Ästhetik“. Die moderne Technik hat schon viele Wunderwerke hervorgebracht, „selbst fahrende Fahrzeuge“ hat sie uns geschenkt. Ein Finanzkaufmann wollte eine Vertragsklausel „nicht hin nehmen“ und der Organist Hansjörg Albrecht schlägt bei seinem Orgelmarathon „in der Herz Jesu Kirche“ von Wels auf. Der Urlauber sollte seinen Erholungswillen „kontrollieren, in dem er einmal am Tag online geht“, und ein Romanautor „setzt seinen schönsten Liebesdienst in Szene, in dem er die Stadt und die Liebe synchron bewässert“.

Die Regel, der alle unsere Schreiber und Schreiberinnen so instinktsicher wie die Störche auf ihrem Flug nach Afrika folgen, ist in allen unseren Fundstücken klar zu erkennen: Schreibe alles getrennt, was für sich eine Bedeutung hat, und lasse es den Lesern über, sich einen Sinn aus der Zeichen Folge zusammen zu puzzeln.

Die vorhin gestellte Frage nach dem etwa Zusammengehörenden läuft bei solch stoischer Unbeirrbarkeit dann doch wieder auf die alte, trostlose Frage hinaus: When will they ever learn?

Im Geiste verbunden mit der großen Joan Baez
grüßt
Orks – Otto

Ork Nr. 45: Plisch und Plum

SZ Nr. 133, 13. /14.6.15, „Vinothek“; Nr. 169, 25./ 26.7.15, S.12

Ork45So nannten die bundesdeutschen Medien die beiden verblüffend gut zusammenspielenden Minister Schiller (SPD) und Strauß ( CSU) im einstigen Kabinett Kiesinger. Das Namenpaar konnte nur funktionieren, weil damals noch sehr viele Deutsche Wilhelm Busch und seine Bildergeschichten kannten. Aber wohl in allen Sprachen gibt es Wortgruppen, deren Bestandteile ähnlich klingen und in fester Reihenfolge auftreten. Dazu gehören die Tropfsteinsäulen der Stalagmiten (steigen empor) und der Stalaktiten (hängen herunter) oder das chinesische Duo Yin und Yang. In der SZ begegnen sie uns in leicht verfremdeter Form wieder:
„Stalagmiten, Stalagtiten, 30 Meter hoch“
„Reifer oder junger Wein – Gegensätze wie Ying und Yang“

Alle Gruppenmitglieder sind sich hier einen Tick oder einen Ying ähnlicher als sonst gewohnt und gehen irgendwie leichter zu merken, so wie Tick, Trick und Track, die Namen von Donald Ducks Neffen. Man sollte sie vielleicht in den Duden übernehmen, grübelt
Orks – Otto

Und als Dreingabe noch die beliebte Übung: Testen Sie Ihren Wortschatz!

Was ist Mut? Wenn ein Herr nur mit Boxershorts bekleidet in die Oper kommt.

Was ist Übermut? Wenn der Herr seine Shorts an der Garderobe abgibt.

Was ist Großmut? Wenn die Garderobenfrau ihm anbietet: „Wollen Sie nicht Ihren Knirps auch gleich dalassen?“

plisch_plum

Ork Nr. 44: Schamröte, in Wolfsburg und sonstwo

SZ Nr. 239, 17./18.10.15, S. 4,5

Ork44Lob und Dank sei dem „Aktuellen Lexikon“ der SZ dargebracht, weil es seine wissbegierigen Leser mit einer wunderhübschen Neuschöpfung beglückt hat, der „Schamesröte“. Ach ja: Die Scham, Genitiv der Schames, dazu die Schamesröte, wirklich sehr apart.

Zugegeben: Einem germanistischen Stammesfürsten, der immerfort mit dem Duden unter dem Arm herumläuft, kann das Neuwort schon mal die Zornesröte ins Gesicht treiben. Was aber auf keinen Fall soweit gehen darf, dass er Herrn oder Frau KBB Schlafes Bruder an den Hals wünscht. Nein, leben und leben lassen! Für den Franken und die Fränkin würde ohnehin das Schames– am schönsten auf Zwetschgerbames reimen. Das ist ein fein aufgeschnittener, luftgetrockneter Rinderschinken, der in seinen edelsten Erscheinungsformen so lustvoll auf der Zunge zergeht, dass selbst Bündnerfleisch und Bresaola nicht gegen ihn ankommen. (Hoffentlich fallen jetzt nicht die genussgierigen Horden der Münchner Urban Gentry über unser schönes Frankenland her, mit den Lifestyle-Gastro-Scouts der SZ an der Spitze.)

Eine Seite weiter plant ein Professor aus Stuttgart zwar keine Steuererklärung auf dem Bierdeckel, aber eine Attacke auf den Dativ. Nachdem dieser ohnehin schon den Genitiv um die Ecke gebracht haben soll, wäre dies also die nächste Stufe der Aktion „Kasus raus aus Dödelsted“: „Wir brauchen, etwas überpointiert auf den Punkt gebracht, mehr Daten-Kompetenz und weniger Dativ-Kompetenz.“ Möge dieser Satz Herrn/Frau KBB Ansporn sein für das nächste Aktuelle Lexikon!

Und weil man von zwei kleinen Orks nicht richtig satt wird, macht er sich jetzt auf die Suche nach einem Zwetschgerbames,

Orks-Otto

Ork44 2

Ork Nr. 43: Kleines Lexikon merkwürdiger Dinge

SZ Nr. 133, 13./ 14.6.15, S. 32; Nr. 25, 31. 1./ 1.2.15, S. 46, 79; Nr. 31, 7./ 8.2.15, S. 52, 86; N. 37, 14./ 15.2.15, „Für Kinder“; Nr. 43, 21./ 22.2.15, S. 17; Nr. 19, 24./ 25.1.15, S. 18, 83; Nr. 297, 27./ 28.12.14, S. 10, Nr. 125, 3./ 4.6.15, S. 38; Nr. 117, 23. – 25.5.15, S. 10; Nr. 163, 18./ 19.7.15, S. 58

ork43Wer die Süddeutsche liest, fühlt sich immer wieder wie auf einen fernen Planeten versetzt. Nie gesehene Wesen, nie gehörte Wörter begegnen ihm und ihr da und erfüllen sie beide mit Staunen. Damit Sie sich in diesem galaktischen Zauberreich ein wenig besser zurechtfinden, haben wir ein kleines Lexikon von SZ – Begriffen mit allgemein verständlichen Wort – und Sacherklärungen für Sie zusammengestellt. Es müsste eigentlich viel, viel umfangreicher sein – aber alles zu seiner Zeit.

Bienenhaufen, der – Folge eines spontanen Wohnungstausches zwischen Bienen – und Ameisenvolk. Der Imker wird Augen machen, wenn er in seinen Bienenstock schaut.

Bücherbieber, der – Das putzige Pelztier heißt mit Vornamen Justin und nagt sich ratzfatz durch die dicksten Wälzer.

Eisenerzmiene, die – Überforderte Chefs und Familienväter üben sie heimlich vor dem Spiegel und imitieren dabei europäische Spitzenpolitiker.

Fortstelle, die – Stelle in einem Musikstück, bei der besonders viele Konzertbesucher fortgehen, – laufen oder – rennen.

Geschichtsgymnastik, die – Häufig angewandte Praxis der Geschichtsschreibung, bei der die dargestellten Ereignisse verdreht, gedehnt oder gebeugt werden.

Herrschaftszeit, die – Zeitraum, in dem Andreas Gabalier, Florian Silbereisen, Hansi Hinterseher und andere ungekrönte Häupter der „Volksmusik“ über die Abendprogramme der Öffentlich – rechtlichen Sendeanstalten herrschten bzw. noch herrschen.

Küchenmalerei, die – „Se­ñor Velázquez“, sprach eines Tages der König von Spanien, „mal er mir doch die Küche aus, aber dalli. Olé!“ Es wurde der schönste Auftrag seines Lebens.

Landstreckenmaschine, die – Passagierflugzeug, das bei Überfüllung des Luftraums auch auf terrestrischem Gelände bewegt werden kann; vgl. Amphibienflugzeug. Die weitere Verbreitung dieses Flugzeugtyps würde das Problem der dritten Startbahn in München lösen.

Narwahlzahn, der – Abweichende Schreibung für Nachwahl, bei der die Kandidaten im Wahlkampf noch einen Zahn zulegen.

Reisverschluss, der – Verschluss des Darmausgangs als Folge übermäßigen Verzehrs von Reisgerichten.

Ressort, das – Wenn mehrere wie hier im SZ – Text am Meer stehen, handelt es sich um Bundesministerien, auch Ressorts genannt, die zwecks Unterbringung syrischer Flüchtlingsfamilien geräumt und in das luxussanierte Mega – Resort Prora an der Ostseeküste verlegt wurden.

Weinflasche, die – Der relativ hohe Preis erklärt sich dadurch, dass die Käufer für ihre 49, 50 Euro sechs mundgeblasene Designerstücke in limitierter Auflage, nummeriert und mit Echtheitszertifikat erhalten. Statt dieses SZ – Sonderangebot wahrzunehmen, könnte man sich allerdings für das gleiche Geld auch sechs Flaschen Wein kaufen.

„Viel zu lernen du noch hast“: Mit diesen Worten verspottet in Star Wars der spitz – und schlitzohrige Meister Yoda den abtrünnigen Jedi – Ritter Count Dooku. Ob mit diesen Worten nicht auch wir armen unwissenden SZonauten gemeint sind? Das fragt sich voll dunkler Vorahnungen

Orks – Otto

PS. Möge die Macht mit uns sein!

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Ork Nr. 42: Nacht der Autoren

SZ Nr. 212, 15.9.15, S. 6

ork42Einen Teil des Sachsenlandes nannte man in DDR – Zeiten spöttisch „Tal der Ahnungslosen“, weil er nicht vom Westfernsehen bestrichen wurde. Aber vielleicht war es gerade dieser Umstand, der den Menschen dort Klarsicht und Mut für ihre Montagsdemos verlieh; gilt es doch als erwiesen, dass häufiger Fernsehkonsum die Nerven schwächt und den Geist trübt. Inzwischen ist ganz Sachsen denselben TV – Programmen preisgegeben wie der Rest der Republik und das Tal der Ahnungslosen ist nach Südwesten weitergewandert, umschließt jetzt die Hultschinerstraße in 81677 MUC.
Ebendort zitiert ein SZ – Autor zwei Generalsekretäre: „CDU kann auch Großstadt“ und „SPD kann Wahlkampf“ und er kommentiert deren Rede mit dem hochironischen Satz „Sicher ist, dass beide Parteien keinen großen Wert mehr auf Pronomen legen.“

Hää??  Was versteht eigentlich Herr Dörries unter Pronomen? Meint er Prognosen? Oder das englische promotion? Oder Proleten, Prologe, Protonen…? Und wenn er wirklich die Wortart Pronomen meint, welche Sorte bittschön? Am Ende glaubt er gar, Pronomen bezeichne ein Verb im Infinitiv?
Im Dunkeln bleibt die rechte Antwort, und womöglich ist ja die SZ – Strategie bewusst an dem Schiller – Wort ausgerichtet: „Nacht muss es sein, wo Friedlands Sterne strahlen“. Dann müsste man allerdings die gesamte Redaktion wegen Verdunkelungsgefahr in U – Haft nehmen, was sicher bei Herrn Prantl helle Empörung auslösen würde.
Von Schillers zeitweiligem Dichterfreund Goethe hingegen wird überliefert, er habe auf dem Sterbebett als letzten Wunsch geäußert „Mehr Licht!“

Zwischen Licht und Nacht verzieht sich mitsamt seiner Jagdbeute ins Zwielicht der Dämmerung,
Orks – Otto

Ork Nr. 41: Kampf der Geschlechter

Sz Nr. 296, 24. – 26.12.14, S. 42; Nr. 31, 7./ 8.2.15, S. 30; Nr. 43, 21./ 22.2.15, S. 54; Nr. 146, 29.6.15, S. 26; Nr. 151, 4./ 5.7.15, S. 53; – Nr. 13, 17./ 18.1.15, S. 16, 29; Nr. 163, 18./ 19.7.15, S. 58; Nr. 192, 22./ 23.8.15, S.72; – Nr. 31, 7./ 8.2.15, S. 86, „für Kinder“; Nr. 49, 28.2./ 1.3.15, S.59; Nr. 95, 25./ 26.4.15, S. 64; Nr. 133, 13./ 14.6.15, S. 39; Nr. 151, 4./ 5.7.15, S. 2; Nr. 152, 6.7.15, S. 35; Nr. 204, 5./ 6.9.15, S. 64; – Nr. 25, 31.1./ 1.2.15, S. 44; Überschrift: Nr. 175, 1./ 2.8.15, S. 2. Mamma mia!

ork_41In der prüden viktorianischen Ära und weit darüber hinaus herrschten in der englischen Sprache klare Verhältnisse bezüglich des Geschlechtlichen: Das grammatische Geschlecht hieß gender (boring topic), das biologische sex ( rather tricky). In der heutigen Sprache hat indes sex eine andere Hauptbedeutung angenommen, in der es von Erwachsenen wie von Heranwachsenden vorzugsweise mit to have, good, video etc. kombiniert wird. Will man hingegen das Verhältnis von Männlein und Weiblein im menschlichen Zusammenleben besprechen, weicht man auf gender aus. Und auch die deutsche Gesellschaft ist ohne ihre Gender – Diskurse nicht mehr zu denken; was nebenbei illustriert, dass es ohne die Grammatik nicht geht.

Aber die klassischen bipolaren Feministinnen und ihre Widersacher laufen inzwischen dem Mainstream hinterher. Dort geht es jetzt um die komplizierteren Seinsweisen, wo mensch sich gleichzeitig oder nacheinander als männlich und/ oder weiblich oder zwischendrin verortet, als Cis – Mann zum Beispiel oder als Trans – Frau; was übrigens beweist, dass es ohne Latein nicht geht.

Die alten Römer sorgten da in ihrer Sprache für klare Verhältnisse. Was nicht Maskulinum oder Femininum war, das war halt keins von beiden: Ne – utrum. In diesen drei Schubladen konnten sie alles Seiende unterbringen – zumindest in der Grammatik. Der/ die/ das Nutella wäre bei ihnen glasklar weiblich, punctum. In der krausen Lebenswirklichkeit bot sich freilich schon damals ein bunteres Bild, mal androgyn, mal hermaphroditisch und so.

Solch unübersichtlichen Gegebenheiten sehen sich natürlich auch die SZlerInnen gegenüber, nur dass sie all ihre Zweifel, Irrungen und Wirrungen schon mal auf die ebenso unschuldigen wie wehrlosen deutschen Substantive übertragen.
Daraus ergibt sich unser offizieller Transgender – Report 2015:

Trans – Maskulina
der Sumpf – Siegwurz
der Mitglied
der Ethos
der Streckenprofil
der Gründerstipendium

Trans – Feminina
die Album
die Ölverbrauch
die Paprika
die Lieblingsstoff

Trans – Neutra
das Zugabe
das Fläche
das Bruchteil
das Edelstahl
das Schutzschild
das Efeu
das Mühsal
das Dinkelgrießbrei

Außer Konkurrenz als entweder männlich oder sächlich läuft „ein Dienstmagd“.

Und was müssen wir der soeben abgeschlossenen Auswertung dieser Listen durch das Statistische Bundesamt entnehmen? Dass auch in der SZ das weibliche Geschlecht klar benachteiligt wird. Liebe Leserinnen und Leser, bitte fordern Sie diese Zeitung mit allem Nachdruck auf, eine verbindliche Trans – Feminina – Quote in ihr Stylesheet aufzunehmen!
Mit genderpolitisch korrekten Grüßen

Orks – Otto

Ork Nr. 40: Neues aus der Anstalt

SZ Nr. 37, 14. /15. 2. 15, S. 53; Nr. 192, 22./ 23. 8. 15, S. 6, 8

ork_40Ja, es stimmt: SZ – Lesern eröffnen sich immer wieder neue, bisher ungeahnte Einblicke in die komplexe Realität unserer Welt von heute. Zur Veranschaulichung haben wir diesmal drei bedeutsame Entdeckungen ausgewählt, die erfahrene Mitarbeiter dieser großen Zeitung für Sie in Worte gefasst haben.

Austritt frei für reuige Sünder

„Nach traditioneller theologischer Vorstellung ist ein Austritt ein schwerer Verstoß gegen die katholische Glaubensgemeinschaft, den die Kirche dem reuigen Heimkehrer gewährt.“
Dass die Römisch-Katholische Kirche mit Sündern zu tun hat, ist weithin bekannt; dass sie ihnen aber „offiziös“, also halbamtlich, „schwere Verstöße gewährt“, mochte in früheren Zeiten, besonders an Fürstenhöfen, ab und an vorgekommen sein. Aber dass sie in unseren Tagen dem reuigen Heimkehrer gleichsam als Willkommensgruß den sofortigen Wiederaustritt anbietet, das ist ein Satz, den man auch als anspruchsvoller SZ – Leser ruhig ein zweites Mal lesen darf, um ihn in seiner vollen semantisch-ekklesiologisch-pastoralpsychologischen Tragweite zu erfassen. Nur Internetbroker an den internationalen Finanzplätzen sehen da sofort einen kleinen, aber nicht reizlosen Nischenmarkt entstehen, denn sie haben die passenden Programme, die in Millisekunden kaufen und verkaufen, längst auf ihrem Rechner. Und mit denen spielen sie jedes Kirchensteueramt schwindlig.
Die beiden folgenden Enthüllungen sind vergleichsweise einfach zu verstehen, haben aber gleichwohl ihren Sitz im Leben, speziell für heiratswillige Damen.

Wohl bekomm’s!

„Wer hier Claims abstecken möchte, um sich zum Beispiel Öl oder Gas einzuverleiben, muss schon etwas völkerrechtliche Kreativität aufbieten.“
Wer immer eine ölbasierte Turbodiät an sich ausprobieren will – bitteschön. Aber Gas braucht sich niemand einzuverleiben, sein Darm produziert es ganz von selber. Im Bedarfsfall können Sauerkraut und andere Kohlprodukte mit gutem Erfolg als Booster eingesetzt werden.

Reiner Männerverein

„Am Montag trifft sie [Manuela Schwesig] Hannelore Kraft, die erste Frau in Nordrhein-Westfalen.“
Auch wenn mit Frau Kraft ein erster Anfang gemacht ist  – das bevölkerungsreichste Bundesland braucht dringend weitere Frauen. Von ernsthaften Westfalen und erst recht von leichtlebigen Rheinländern würden sie mit offenen Armen empfangen!

Dergestalt lehren kompetente Journalisten ihre Leser, die Welt immer wieder mit neuen Augen zu sehen und dabei jederzeit für überraschende Informationen offen zu sein. Ach, gäbe es doch mehr solcher umfassender Aufklärung verpflichteter Anstalten, seufzt

Orks-Otto